Moslems in Wien feiern den Ramadan gemeinsam. | Fastenbrechen ist ein fröhliches Fest.
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Wien. Ein Schluck Wasser und eine Dattel - so eröffnet man den "Iftar", das Fastenbrechen, wenn man die so genannte "Sunna" (die Prophetentradition) genau befolgen will. Falls man es allerdings dem Propheten Mohammed exakt gleichtun will, so versucht man sich mit medinensischen Datteln (aus Saudi Arabien) einzudecken, auch wenn diese im Schnitt sehr viel teurer sind als die südtürkischen Datteln.
Im großen Saal des Vereins zur Unterstützung von internationalen Studenten und Studentenaktivitäten (Wonder) im 16. Wiener Gemeindebezirk werden lediglich türkische Datteln angeboten, nebst einem reichhaltigen Mahl, das eine Suppe, eine Hauptspeise, einen kleinen Salat und eine süße Nachspeise beinhaltet. Frauen und Männer sitzen hier Stuhl an Stuhl und warten die letzten Momente des offiziellen Fastenbrechens ab. Eine kurze religiöse Formel, die vom entsprechenden Personal intoniert wird, bildet die letzte verheißungsvolle Hürde. Und schließlich darf gegessen werden.
Auch Fluchen untersagt
Das islamische Fasten beinhaltet allerdings auch die Absage an den Geschlechtsakt, das Fluchen und das Rauchen: So sind auch die Raucher jene, die am eiligsten das Mahl verspeisen und sich in den entsprechenden Raucherbereich im Hof des Vereinsgebäudes begeben. Und während die freiwilligen Helfer in der Küche in einer Ecke zusammensitzen und verspätet ihr Essen einnehmen, pilgern die Raucher kolonnenartig in den Raucherhof.
Burak kam nach Österreich, um zu studieren und fand im Wonder-Verein eine feste Adresse im fremden Wien. Seine erste Zigarette des Tages genießend, dankt er Allah, dass wenigstens das Wetter den Gläubigen entgegenkommen würde, auch wenn der Ramadan (zu deutsch: Sommerhitze) mittlerweile im Hochsommer angekommen sei (da der Ramadan jedes Jahr zehn Tage "zurückspringt"). Auf Essen und Trinken zu verzichten, fiele ihm ja weitaus leichter, als stundenlang keine Zigarette rauchen zu können, aber er faste natürlich gerne, da im Ramadan "die Gemeinschaft der Muslime" fast schon greifbar wäre.
Auch in der Zentrale des UIKZ (Union der Islamischen Kulturzentren) wird ein reichhaltiges Iftar-Essen angeboten, das täglich von einem anderen Mitglied des Vereins finanziert wird. Offizielle Zahlen werden zwar nicht genannt, doch werden die Kosten für eine 100-köpfige Gruppe auf 400 bis 500 Euro taxiert. Auch die Helfer, die die Speisen austeilen und die Brotkörbe wieder auffüllen wechseln täglich.
Im UIKZ-Zentrum werden die Frauen räumlich getrennt verköstigt und auch die Zahl der Raucher scheint gegen null zu tendieren, da niemand das zur Moschee umfunktionierte Gebäude verlässt. Der obligatorische "Verdauungs"-Schwarztee fehlt allerdings auch hier nicht.
Die UIKZ legt, eingedenk ihrer spirituellen Wurzeln, großen Wert auf die theologische wie praktische Bildung ihrer Mitglieder und kennt auch feine Unterschiede zu den anderen religiösen Verbänden und Gruppen. So beten die UIKZ Mitglieder das Ramadan-spezifische Gebet "teravih" unbedingt vor dem Fastenbrechen, was in der Form von den anderen Gruppen und auch vom türkischen Staatsislam kaum bis gar nicht praktiziert wird. Die anderen Gruppen hingegen beten dieses spezielle Gebet zusammen mit dem abendlichen Pflichtgebet nach dem Fastenbrechen.
Gebet vor dem Essen
Vor wenigen Tagen sorgte der renommierte türkische Theologe Yasar Nuri Öztürk für Aufregung, als er in einem Zeitungsinterview das Ramadan-spezifische "teravih" Gebet gar als eine der Prophetentradition (Sunna) widerstrebende Erfindung der Moderne nannte. So kann es also durchaus sein, dass ein vereinsfreier Muslim erst einmal konsterniert ist, wenn er statt dem ersehnten Fastenbrechen ein zuweilen überlanges Gebet verrichten muss.
Die Fastenzeit ist insbesondere für die jungen Muslime, die im Berufsleben stehen, eine schwierige. Der Verzicht auf Wasser führt nicht nur unmittelbar zu latentem Durst, sondern auch zu Mundgeruch. Doch eine Prophetenüberlieferung aus der Sammlung al Buharis will Trost spenden: "Der Mundgeruch eines Fastenden ist Gott lieber als der Duft von Moschus."