"Die Quantität und die Qualität der Zuwanderung entscheidet über den Wohlstand der Einheimischen", begründet Rainer Münz, Professor für Demographie und Bevölkerungsentwicklung an der Humboldt-Universität Berlin, die Notwendigkeit, Arbeitskräfte ins Land zu holen. Als Mangel am österreichischen Modell für den Integrationsvertrag sieht er das fehlende Anreizsystem.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
In Deutschland sei vorgesehen, dass die Zuwanderer Deutsch, Orientierungskurse über das politische System und Berufsbildungskurse erhalten, dafür aber raschere Einbürgerung erhalten sollen. Genau dieses Anreizsystem vermisst Münz beim österreichischen Integrationsvertrag. Man dürfe nämlich nicht vergessen, dass in einigen Jahren unter den europäischen Staaten aber auch mit den USA und Kanada ein Wettbewerb um Zuwanderer einsetzen werde. Dafür müsse sich die Gesellschaft bereits jetzt vorbereiten.
Münz, der als Mitglied der Süssmuth-Kommission ein Modell für Deutschland mitgestaltet hat, sieht 80 Prozent der Vorschläge in einer Gesetzesvorlage umgesetzt. Die Ereignisse vom 11. September hätten es aber nicht leichter gemacht, eine breite Mehrheit in der Bevölkerung dafür zu finden. Aber "eine gesetzliche Liberalisierung nützt nichts, wenn die gesellschaftlichen Realitäten und Mentalitäten nicht gegeben sind", sagte Münz bei einer öffentlichen Klubsitzung der Grünen in Wien. Diese sollte dazu dienen, das Thema zu entemotionalisieren.
Das sei auch möglich, wenn man den Menschen klar mache, dass sie alle davon betroffen sein werden. In Deutschland würde die Bevölkerung bis zum Jahr 2050 ohne Zuwanderung von derzeit 82 auf 57 Millionen Menschen schrumpfen.
Grünen-Chef Alexander Van der Bellen stellte die provokante Frage, ob nicht weniger Menschen im Land umweltpolitisch ohnedies wünschenswert wären und warum das so schlecht wäre.
Die gesamte Infrastruktur sei auf mehr Menschen ausgerichtet. Auch das Pensionssystem, usw. Die Menschen werden älter, die Baby-Boomer-Generation etwa werde gemeinsam alt. "Selbst Zuwanderungsgegner werden skeptisch, wenn sie hören, dass sie sich in Zukunft den Rollstuhl selber schieben können." Es gehe also um die Frage der Lebensqualität und nicht um die Anzahl der Leute. Wenn 40 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre alt sind, müssten wir erst einen Drittstaat finden, der uns finanziert, machte Münz die Situation deutlich.