Zum Hauptinhalt springen

Ohren zu und durch

Von David Ignatius

Kommentare
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Bei Präsident Obama macht sich angesichts der ewigen Querelen mit den Republikanern Resignation breit - seine Popularität leidet darunter.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Es ist die letzte Ferienwoche für US-Präsident Barack Obama, nach einem "Urlaub von der Hölle", wie das ein CNN-Analyst nannte. Das ist vielleicht der richtige Zeitpunkt, um zu untersuchen, was für Obama in jüngster Zeit falsch gelaufen ist und ob er etwas ändern kann. "Disengaged" zu sein, wird Obama vor allem vorgeworfen. Das war bei seinem zurückhaltenden Stil immer schon ein Thema, aber die Kritik hat sich während seines Urlaubs verschärft. Dabei arbeitet Obama zumindest so emsig wie vor ihm George W. Bush bei seinen häufigen Aufenthalten in Texas. Auch Obama verbrachte während seines golfintensiven Urlaubs viel Zeit mit Krisen, ausländischen und heimischen.

Manchen politischen Ärger hätte er sich allerdings ersparen können, wenn er auf den Urlaub verzichtet hätte. Ich bin allerdings nicht sicher, ob das für die USA besser gewesen wäre, von seiner Familie ganz zu schweigen. Oft wurde schon angeregt, dass Obama mehr Politiker zu sich zum Golfspielen einladen sollte, wie zum Beispiel den Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner. Aber wäre das hilfreich?

Sicherlich könnte Obama besser kommunizieren. Aber wie er herausgefunden hat, bringen Vorträge und häufigere Medienkonferenzen nicht unbedingt mehr Zustimmung. Die Wahrheit über den "desengagierten" Obama ist, dass er sich aus der meisten Kritik nichts mehr macht. "Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?", fragte er seine Kritiker: "Die Fehler der Vergangenheit wiederholen?"

Obama scheint heute die Ansichten seiner Verunglimpfer einfach zu ignorieren. Ein Teil seines distanzierten Stils geht darauf zurück, dass er unnachgiebig ist. Er kann es nicht leiden, festgenagelt zu werden. Er hört sich die Kritik an, aber ab einem gewissen Punkt schaltet er ab. Obama scheint diesen Kipppunkt des Interesses in seinem Handeln gegenüber dem Kongress erreicht zu haben. Er hat die Nase voll vom Quengeln und den Fehden. Wie die "New York Times" berichtete, verlangte Mehrheitsführer Harry Reid im Senat Unterstützung, Botschaftsernennungen zu klären. Obama soll das Problem Reid und seinem republikanischen Gegenüber Senator Mitch McConnell zurückgekippt haben, mit den Worten: "Sie und Mitch werden das schon machen."

Sieht so aus, als hätte Obama die Untätigkeit des Kongresses satt und das böse Blut zwischen Reid und McConnell, das daran mitgewirkt hat, Obamas legislative Agenda zu lähmen. Leider ist das nicht wirklich eine Option für Obamas verbleibende zwei Jahre im Amt: Geringschätzung ist keine Regierungsstrategie. Distanz funktioniert nur bei europäischen Führern, denkt man an Charles de Gaulle oder François Mitterrand oder an Angela Merkel. Aber die USA mit ihrem demokratischen Ethos wollen herzlichere Politiker.

Was gedenkt Obama jetzt zu tun? Es sieht danach aus, als würde er sich der Strategie eines Schülers bedienen, der es leid ist, schikaniert zu werden: Hart arbeiten, Entscheidungen treffen, Kritik so weit wie möglich ignorieren und auf neue Freunde hoffen - und auf mehr Glück. Diese vorsichtige, passive Strategie wäre in einer guten und Fehler verzeihenden Welt akzeptabel. Damit sich aber seine krisengeplagte Präsidentschaft in der verbleibenden Zeit noch erholen kann, braucht Obama eine risikofreudigere, energischere Vorgangsweise.

Übersetzung: Redaktion