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Ohrenschuld und Sühne

Von Gerald Schmickl

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Private Umfragen haben mir gezeigt, dass viele, die für die Fortführung der TV-"kunst-stücke" plädieren, die Sendung schon seit Monaten, manche seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Das spricht zwar weder gegen die ehrenhaften Anliegen der Unterstützer - und schon gar nicht für die Abschaffung der ambitionierten Kunstsendung, aber es zeigt, dass es so etwas wie "politisch korrektes" Fernsehverhalten gibt. Man tut gerne so, als ob. Beim Radio ist das nicht anders. Als vor vielen Jahren die legendäre "Musicbox" auf Ö 3 abgedreht wurde, war die Zahl der Proteste um einiges höher als jene der tatsächlichen Hörer.

Ich zum Beispiel schwärme immer gerne von "Diagonal", obwohl ich die intellektuelle Paradesendung von Österreich 1 zugegebenermaßen schon lange nicht mehr gehört habe. Oder diese Woche das vormittägliche "Radiokolleg": das habe ich zwar gehört - aber auch nicht lange. Helmut Waldert stellte da neue Organisationsformen von Unternehmen vor, sprach über Coaching, Open Space und dergleichen Konzepte mehr. Eine höchst verdienstvolle Angelegenheit, aber von dem bewährten Radiomann schon stimmlich derart prononciert didaktisch vorgetragen, dass - trotz meines willigen Geistes - mein Ohr schwach wurde und (jetzt erröte ich doch leicht) zu den "Super-Oldies" von Radio Arabella abdriftete, mitten in ein erstaunlich seichtes Vormittagsgepritschel hinein. Dieses Vergehen werde ich demnächst mit zwei durchgehörten Radiokollegs und drei Salzburger Nachtstudios vor mir selbst sühnen müssen.