Italiens Staatschef Carlo Azeglio Ciampi hat die Unterzeichnung der umstrittenen Justizreform verweigert, die Silvio Berlusconi gegen den heftigen Widerstand von Richtern und Staatsanwälten im Parlament durchgeboxt hat. Zwar kann der Präsident die Lex damit letztlich nicht verhindern, peinlich ist die Entscheidung für den Ministerpräsidenten jedoch allemal.
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Die beiden Parlamentskammern müssen sich nun laut Verfassung neuerlich mit dem Gesetz befassen, bevor darüber noch einmal abgestimmt wird. Die Abgeordneten und Senatoren können den Gesetzestext allerdings unverändert bestätigen. Der Präsident ist dann zur Unterzeichnung gezwungen. Er hat also nicht die Möglichkeit, ein In-Kraft-Treten zu verhindern, wohl aber kann er zuvor den Verfassungsgerichtshof anzurufen, um die Lex auf ihre Verfassungskonformität hin überprüfen zu lassen.
Politisierung der Justiz
Nach der Niederlage beim Amnestiegesetz, das vom Verfassungsgericht aufgehoben worden war, war dies bereits der zweite Rückschlag bei seinen Versuchen, Gesetze an seine Eigeninteressen anzupassen. Diesmal ging es dem durch seine Korruptionsaffären und Mafiakontakte ins schiefe Licht geratenen Premier darum, sich den politischen Einfluss auf den Justizapparat zu sichern.
Einer der Kernpunkte der Reform ist denn auch die Änderung des Wahlsystems für den Obersten Richterrat. Darüber hinaus werden die Staatsanwälte künftig der Kontrolle des Parlaments unterstellt, wobei deren Berufskarrieren und die von Untersuchungsrichtern strikt von jenen der Richter getrennt werden.
Richter, Staatsanwälte und Opposition laufen gegen das Gesetz Sturm, da sie die Unabhängigkeit der Justiz bedroht sehen. Auch die kürzlich im Eilverfahren durchgesetzte Verkürzung der Verjährungszeiten für nicht-vorbestrafte Angeklagte, mit der Berlusconi seinen Vertrauten Cesare Previti vor der Haft bewahren will, stoßen auf Widerstand. Am Mittwoch Abend zogen Hunderte Mitglieder der oppositionellen Bürgerbewegung "Girotondo" zornig vor die Abgeordnetenkammer, um ihren Unmut zu deponieren.