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Okinawa-Gouverneur lenkt ein

Von WZ-Korrespondentin Sonja Blaschke

Politik

Weg für Verlegung der Basis ist frei, Bewohner sehen USA weiter als Besatzer.


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Washington/Tokio. Am Hafen des verträumten Dorfs Henoko im Norden Okinawas steht auf einem Damm ein halboffenes Zelt. Wind und Wetter haben über die vielen Jahre, die es dort steht, Spuren hinterlassen. An seinen Wänden kleben Poster, Zeitungsartikel und Fotos. Letztere zeigen Militärschiffe und Luftaufnahmen der Landspitze Henoko, auf der sich seit vielen Jahrzehnten ein US-Stützpunkt befindet. Vor dem Zelt werden Aktivisten nicht müde, Besuchern, die manchmal in Touristenbussen ankommen, zu erklären, warum sie gegen ein großes Bauprojekt in Sichtweite sind. Dann führen sie die Neugierigen zu bunten Protestplakaten entlang eines Zauns mit Blick auf die US-Basis. Sie soll bald durch eine V-förmige Start- und Landebahn von 1200 Meter Länge vor die Küste erweitert werden. Wenn die Arbeiten beendet sind, würde das den Weg freimachen für den lange geplanten Standortwechsel von Futenma, einem Flugplatz der amerikanischen Marineinfanteristen. Dieser liegt im Zentrum der stark besiedelten Stadt Ginowan im Südwesten der Insel. Dort gibt es stete Proteste über den Lärm der Flugzeuge und die Angst vor Unfällen. Vor einigen Jahren stürzte ein Hubschrauber auf das Gelände einer Universität. Doch seit 1996 ziehen sich die Verhandlungen über eine Verlagerung der Basis ergebnislos hin.

Nun könnte Bewegung in die verfahrene Situation kommen. Okinawas Gouverneur Hirokazu Nakaima gab am 27. Dezember seine Zustimmung für die Landaufschüttung in Henoko. Die Regierung von Premierminister Shinzo Abe hatte zunehmend Druck auf Nakaima ausgeübt, zuletzt indirekt durch die Bewilligung sehr großzügiger Geldmittel für die wirtschaftliche Entwicklung Okinawas.

Nakaima verteidigte seine Entscheidung, für die er einerseits Unterstützung fand, andererseits als Verräter kritisiert wurde: Seine oberste Priorität sei, die Gefahr von Unfällen in Ginowan so schnell wie möglich zu reduzieren. Deswegen habe er zur Bedingung gemacht, dass der Flugverkehr in Futenma binnen fünf Jahren eingestellt werde. Kabinettssprecher Yoshihide Suga wand sich jedoch in einer Pressekonferenz um eine feste Zusage herum, dass die fünf Jahre eingehalten werden könnten.

Okinawa-Frage politisch äußerst heikel

Während manche Nakaimas Entscheidung als Durchbruch feierten, bezweifeln andere, dass sie tatsächlich die Pattsituation beendet. Nakaima selbst sagte, die Umsetzung des Landaufschüttungsplans sei sehr schwierig. Er spielte damit auf Naturschützer vor Ort in Henoko, aber auch den Bürgermeister der übergeordneten Stadt Nago an, der den Plan ablehnt. "Alle möglichen Schritte, um die Umwelt zu schützen, sind getan worden", betonte Nakaima.

Die US-Militärbasen auf Okinawa sind ein zentrales Thema der Beziehungen zwischen Japan und den USA, seit sie 1960 eine Sicherheitsallianz schlossen. Japan, das wegen seiner pazifistischen Verfassung nur "Selbstverteidigungsstreitkräfte" haben darf, baut auf den Schutz durch die USA. Im Gegenzug gewährt Japan den USA das Recht, Soldaten auf japanischem Gebiet zu stationieren. Drei Viertel der amerikanischen Basen in Japan befinden sich auf Okinawa, insgesamt 50.000 Mann mit Angehörigen. Das ermöglicht dem US-Militär den Zugang zu Asien, vor allem im Hinblick auf die aufstrebende Weltmacht China.

Die Okinawa-Frage ist politisch äußerst heikel, da die Regierung zwischen den Interessen des wichtigsten Bündnispartners und denen der eigenen Bürger abwägen muss. Premierminister Abe bezeichnet die Reduzierung der "Bürde Okinawas" als eine der Prioritäten seiner Amtszeit. Mitte Dezember kündigte er an, dass Tankflugzeuge von Futenma auf eine Basis außerhalb von Okinawa verlegt werden. Nakaima sagte, er habe Abe - anders als seinen Vorgängern - geglaubt, dass er sich aufrichtig um eine Verbesserung der Lage in Okinawa bemühen werde. Er traue ihm Führungsstärke für die Neuverhandlungen einer Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten zu, die den Aufenthalt der Streitkräfte auf Okinawa regelt.

Außerdem hat Abe versprochen, einen Teil der Trainingsflüge von umstrittenen "Osprey"-Flugzeugen, die wie Hubschrauber starten und landen können, aus der Präfektur weg zu verlegen. Alles in allem nannte Nakaima das Paket, das die Abe-Regierung Okinawa geboten habe, "gut ausgewogen".

Doch das interessierte die Demonstranten, die aus Protest eine Menschenkette um die Provinzregierung in der Hauptstadt Naha bildeten, nicht. Sie fühlen sich von Nakaima betrogen. Er hatte im Wahlkampf 2010 versprochen, für eine Verlegung außerhalb Okinawas zu sorgen. Das sei auch weiterhin sein Ziel, sagte Nakaima. Er baue darauf, dass die Regierung, falls Henoko nicht bis in fünf Jahren fertiggebaut sei, einen anderen Ort finde.

Nakaimas Entscheidung reißt auf Okinawa alte Wunden auf. Denn die subtropische Inselgruppe stand bis 1972 und damit 20 Jahre länger als der Rest Japans unter US-Verwaltung. Manche Bewohner der Inselgruppe sagen, für sie sei der Krieg noch heute nicht vorbei, sie fühlen sich von den USA weiter besetzt und von der Zentralregierung als Japaner zweiter Klasse behandelt. Umgekehrt wird den Bewohnern vorgeworfen, mit ihrer Akzeptanz der Militärbasen von der Zentralregierung Geldmittel erpressen zu wollen.