Energiepflanzen konkurrieren nicht mit Nahrungsmitteln. | Zucker als Ersatz für Kunststoffe. | Wien. "Gestiegene Produktpreise und neue Rahmenbedingungen für den Absatz von Agrarerzeugnissen schaffen für Österreichs Landwirte bisher ungeahnte Perspektiven", erklärt der seit Anfang Mai amtierende Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski. Speziell die starke Nachfrage für landwirtschaftliche Produkte zur Erzeugung von Bio-Treibstoffen lasse den Agrarsektor erstarken.
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Österreich hätte momentan eine Kapazität von rund 200.000 Hektar für den Anbau von Bioenergie-Pflanzen, davon werde derzeit erst ein Drittel zu diesem Zweck genutzt. EU-weit sind zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen stillgelegt. Wlodkowski rechnet, dass diese zur Erhöhung der Bioenergie-Produktionskapazität innerhalb der nächsten Jahre wieder reaktiviert werden.
Die Landwirte in Österreich profitieren schon kurzfristig, vor allem durch die noch heuer in Betrieb gehende Bioethanolproduktion in Pischelsdorf, vom Bioenergie-Boom. "Bisher musste die heimische Überproduktion von rund 400.000 Tonnen Getreide zu unwirtschaftlichen Preisen ins Ausland verkauft werden", schildert Wlodkowski. Nun könne man diese Mengen zu einem ökonomisch attraktiven Preis an die Treibstoffproduktion verkaufen.
Die eiweißhaltigen Rückstände aus der Biotreibstoffproduktion kommen als Futtermittel wieder den Bauern zugute. "Allein in Pischelsdorf erreicht dieser Abfall fast ein Drittel des österreichweiten Bedarfs an Eiweiß-Futtermitteln. Wir können uns damit weitestgehend den Soja-Import ersparen", sagt Wlodkowski.
Breite Palette
Den Befürchtungen, dass die Nachfrage einzelner Agrarprodukte riesige Monokulturen wie in den USA erzeugen könnten, erteilt der Landwirtschaftskammer-Präsident eine klare Absage: "Neben dem Bodenschutzgesetz dass dieses generell verhindert, haben sich auch die meisten Bauern dem Umweltprogramm Öpul ( Ö sterreichisches P rogramm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft, Anm.) verschrieben, dass eine Fruchtfolge zwingend vorschreibt".
Betriebe mit Nutztierhaltung sind vom Bioenergie-Boom ebenfalls nicht ausgeschlossen. Als Abnehmer für Jauche bieten sich beispielsweise Biogasanlagen an. Dennoch sieht Wlodkowski in diesem Fall noch Unsicherheitsfaktoren, die einen durchschlagenden Erfolg noch verhindern. Für die Umwandlung in Strom bedürfe es eines für Kleinanbieter verbesserten Ökostromgesetzes und eines Abnehmers für Wärme.
Nicht nur Gewinner
Ganz so rosig wie sein Amtsvorgänger Rudolf Schwarzböck, der meinte, dass sich das Bauernsterben durch den Bioenergie-Boom einbremse, sieht der oberste Bauernvertreter die Lage dennoch nicht. Der Rückgang in jenem Segment, dass sich den technologischen Fortschritt nicht (mehr) leisten könne, sei durch den Bioenergieboom nicht aufzuhalten. Dies beträfe in erster Linie Bauernhöfe unter 30 Hektar.
Abgekoppelt von diesem Prozess sind laut Wlodkowski allerdings die Bergbauern, obwohl ihre Flächen meist ebenfalls eher klein sind. Sie profitieren indirekt vom Bioenergie-Trend. Während die Kapazitäten in ertragreichen und einfach zu bewirtschaftenden Regionen verstärkt für den Getreideanbau benötigt werden, können sich die Bergbauern auf Milch- und Fleischproduktion konzentrieren. Nicht zuletzt die speziellen Förderungen für agrarische Extremlagen verhindern, dass Bergbauernregionen aufgegeben und aufgeforstet werden.
Eine Verdrängung von Brotgetreide zu Gunsten von Energiepflanzen kann sich Wlodkowski nicht vorstellen. Seiner Meinung nach halten die landwirtschaftlichen Betriebe Österreichs auch in Zukunft an der Prioritätenabfolge: Nahrungsmittel - Futterpflanzen - Energiepflanzen fest.
Weitere Absatzchancen
Neben Treibstoff und Energie, den mengenmäßig dominierenden alternativen Absatzkanälen für Agrarprodukte, beginnt ein weiterer Einsatzbereich zu keimen. Landwirtschaftliche Produkte als Ersatz für Kunststoffprodukte. So werden beispielsweise die oberösterreichischen Schüler und Kindergartenkinder ihre Pausenmilch künftig aus komplett verrottbaren Verpackungen trinken. Becher, Deckel und Strohhalm bestehen aus Polymilchsäure, die aus der Vergärung von Zucker gewonnen wird. Die Umstellung auf dieses neue Material spart jährlich 64 Tonnen Plastik- und acht Tonnen Aluminium-Müll ein.