Zum Hauptinhalt springen

Ökoliner oder Monstertrucks?

Von Reinhard Göweil aus Brüssel

Politik

Österreich, Italien und Schweiz lehnen Vorschlag für Lang-Lkw ab.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Gegner der Lang-Lkw befürchten nicht nur, dass sie die Straßenbeläge stärker ruinieren, sondern auch, dass sie das EU-Verkehrskonzept ad absurdum führen.
© Krone Trailer

Brüssel. Sie sind 25 Meter lang und können 60 Tonnen Güter transportieren - die sogenannten Gigaliner. Um ihre europaweite Zulassung wird heftig gestritten. Die EU-Kommission ist dafür, Teile des Europaparlaments sind dagegen - unter anderem alle österreichischen Abgeordneten. Bei einer Informationsveranstaltung in Brüssel haben die Gegner dieser Groß-Lkw ihre Argumente geschärft und mit einer vom Verkehrsministerium in Auftrag gegebenen Studie untermauert. Das Argument der Befürworter, dass höheres Gewicht weniger Lkw auf der Straße bedeute und dies daher zu einer Reduzierung des Schadstoff-Ausstoßes führe, wird darin heftig zerpflückt.

"Die Tatsache, dass 60 Tonnen pro Lkw transportiert werden können, führt zu einer erheblichen Kostenreduzierung", sagte der Verkehrsplaner und Studienautor Andreas Käfer. "Und die würde als Wettbewerbsinstrument eingesetzt werden. Ich rechne damit, dass es zu einer massiven Verlagerung des Gütertransports von der Schiene auf die Straße kommt, also das Ziel der Verkehrspolitik ins Gegenteil verkehrt wird."

40 Prozent des kombinierten Verkehrs würden sich demnach zurückverlagern, was - so die Studie - in Österreich pro Jahr eine Million Lkw mehr ausmachen würde. Käfer: "Das ist auch ökologisch sinnlos." Der CO2-Ausstoß könnte um 90.000 Tonnen steigen. Die Befürworter nennen sie lieber "Ökoliner".

Eva Lichtenberger von den Grünen, Richard Seeber und Herbert Dorfmann von der Volkspartei sowie der Sozialdemokrat Jörg Leichtfried präsentierten diese Berechnungen. Leichtfried wird zudem zu diesem Thema dem Parlament Bericht erstatten, er rechnet mit einer Abstimmung im April 2014.

Tunnels müssten vergrößert werden

Sollten die "Monstertrucks", wie sie von Gegnern genannt werden, danach zugelassen werden, stünden auch die Autobahnbetreiber vor enormen Herausforderungen. "In großen Ländern wie Australien, in denen es flach ist und gerade Straßen durch dünn besiedeltes Gebiet führen, mögen sie sinnvoll sein", meinte Käfer. "Aber in den viel dichter besiedelten Bergregionen Europas schaut das ganz anders aus." Tunnels, Pannenbuchten, Lkw-Parkplätze und Abfahrtsrampen sind nicht auf derart große Fahrzeuge ausgelegt und müssten adaptiert werden. Die Asfinag schätzt die dafür notwendigen Investitionen auf fünf Milliarden Euro. Womit sich auch die volkswirtschaftliche Rechnung nicht mehr ausginge.

Der Chef der italienischen Brennerautobahn AG, Walter Pardatscher, erläuterte es so: Auf seinen 314 Kilometern Autobahn befinden sich 145 Überführungen, 131 Brücken und 30 Tunnels. "Da ist keine dritte Fahrspur möglich, wir haben in den Tälern einfach keinen Platz dafür, selbst wenn wir wollten. Wir sind Autobahnbetreiber und kassieren Maut, aber auch wir können den Gigalinern nichts Positives abgewinnen." Pardatscher fürchtet zudem, dass die schweren Fahrzeuge die Fahrbahnbeläge schneller zerstören, also viel öfter Reparaturen und damit Baustellen notwendig würden.

Erhöhtes Unfallrisiko als Gegenargument

Auch das erhöhte Unfallrisiko wird gegen die großen Lkw ins Treffen geführt, die Überholvorgänge dauern einfach länger. Käfer dazu: "Lkw sind nur in 4 Prozent der Autounfälle verwickelt, aber zu 13 Prozent bei den Verkehrstoten."

Die Befürworter der Gigaliner argumentieren, dass diese Fahrzeuge technisch viel besser ausgerüstet seien und daher auch die Verkehrssicherheit erhöht würde. Anti-Schleuder-System und Bordkameras machen aus dem Lenker-Gehäuse der Riesen-Lkw tatsächlich ein Cockpit.

Das stärkste Argument der Parlamentarier gegen die Gigaliner ist aber wohl das verkehrspolitische. "Unsere gewaltigen Schienen-Investitionen, wären damit obsolet", argumentiert Lichtenberger. Dies sieht auch der EU-Botschafter der Schweiz, Roberto Balzaretti, so: "Wir wollen keine Gigaliner-Korridore durch Europa. Es gäbe dafür in der Schweiz keine Akzeptanz der Bevölkerung, die wir überzeugt haben, dass der massive Ausbau des Schienenverkehrs durch die Alpen sinnvoll ist." In Skandinavien sind sie auf den langen Autobahnen im Norden allerdings bereits im Einsatz, Abgeordnete dieser Länder sind daher weniger ablehnend.

Harte Kritik an EU-Kommission

Jene EU-Parlamentarier, die gegen die Gigaliner sind, werfen der EU-Kommission vor, ihre eigenen verkehrspolitischen Grundsätze über Bord zu werfen. Denn generell gibt es die Absicht, Güter von der Straße auf Schienen- und Wasserwege zu verlagern.

"Die Gigaliner würden der Schiene nicht bei den Schwertransporten zusetzen, aber bei leichteren Gütern wie Lebensmitteln oder auch Watte. Das würde bei den Bahnen eine Spirale nach unten in Gang setzen", glaubt Studienautor Käfer. "Wenn Güterzüge weniger transportieren und zu kurz werden, rentieren sie sich nicht mehr und werden stillgelegt. Das ist bei 15 bis 18 Waggons der Fall. Und dann werden diese Transporte auch auf die Straße verlagert."

Seeber, der aus Tirol stammt, das durch die Gigaliner besonders betroffen wäre, ist daher auch vehement gegen die Zulassung der Großfahrzeuge: "Es ist gegen die allgemeine Linie und auch noch schlecht vorbereitet von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas." Ähnlich drückt es der für die Materie zuständige Leichtfried aus: "Wir wollen keine grenzüberschreitende Zulassung dieser Gigaliner."

Abgestimmt darüber wird wie gesagt im April 2014, und zwar - ganz offiziell - über einen "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 96/53/EG vom 25. Juli 1996 zur Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen für bestimmte Straßenfahrzeuge im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr in der Gemeinschaft sowie zur Festlegung der höchstzulässigen Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr".