Thinktank Agenda Austria beklagt fehlende Einsparungen im Budget. Eingriffe müsse es bei Sozialausgaben und dauerhafter Steuerentlastung gaben.
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Wien. Keineswegs so rosig wie der amtierende Finanzminister Eduard Müller und auch sein Vorgänger Hartwig Löger sehen die Steuer- und Budgetexperten des Thinktank Agenda Austria die Entwicklung in Österreichs Staatshaushalt. Das Finanzministerium sieht aufgrund der guten Einnahmen im ersten Quartal dieses Jahres das Ziel der geplatzten ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, erstmals nach Jahrzehnten einen Budgetüberschuss zu schaffen, erreichbar.
"Das ist sehr stark durch die Steuerzahler selbst getragen", werfen die Ökonomen Denes Kucsera und Hanno Lorenz von Agenda Austria im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ein. Dazu kommt, dass der Staat weiter von den niedrigen Zinsen profitiert. Von 2009 bis 2019 habe man sich so im Budget in Summe satte 35 Milliarden Euro erspart. Hingegen vermissen die Fachleute eine Ausgabenbremse - vor allem bei den Pensionen durch eine sofortige und nachhaltige schrittweise Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters.
Für die Agenda Austria zeigen die jüngsten Zahlen der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), wonach durch die gestiegene Beschäftigung im vergangenen Jahr auf tausend Beschäftigte im Schnitt weniger Pensionisten kommen, zuletzt 574, keine dauerhafte Entschärfung der finanziellen Belastung des Budgets von Pensionszuschüssen. Der Grund für die prekäre Lage sei die demografische Entwicklung, die beginnend mit dem Ruhestand der jetzigen Babyboomer-Generation dazu führen werde, dass bis 2050 die Zahl der Pensionisten um eine Million zunehmen werde. Der Staat gebe 20 Milliarden Euro aus dem Budget an Alterskosten für Pensionszuschüsse und Geld für Pflege pro Jahr aus. Dazu komme der Umstand, dass die Österreicher aufgrund der steigenden Lebenserwartung immer länger in Pension sind. Frauen seien 1970 im Durchschnitt 18,5 Jahre in Pension gewesen, zuletzt waren es bereits 26,5 Jahre.
Jährlich 250 Millionen Euro Einsparungen bei Pensionen
Für Kucsera führt deswegen kein Weg daran vorbei, die steigende Lebenserwartung wie etwa auch in Schweden bei den Pensionen zu berücksichtigen. Konkret bedeutet dies: Das gesetzliche Pensionsantrittsalter, das derzeit bei 60 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer liegt, müsse sofort pro Jahr um zwei Monate auf letztlich 67 Jahre für beide Geschlechter erhöht werden.
Sofort heiße, dass die künftige nach der Neuwahl am 29. September gebildete Bundesregierung schon ab 2021 mit der Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters beginnen solle. Mit der Erhöhung um jeweils zwei Monate pro Jahr sei eine stärkere Erhöhung als das Ansteigen der Lebenserwartung gewährleistet. Die Einsparungen pro Jahr durch diese Maßnahme beziffert Agenda Austria mit 250 Millionen Euro.
Gerade bei Eingriffen bei den Pensionen war die türkis-blaue Bundesregierung während ihrer Amtszeit zurückhaltend. Eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters wurde mit dem Hinweis abgelehnt, wichtig sei vor allem, das tatsächliche Pensionsantrittsalter von rund 60 Jahren anzuheben. Die Zurückhaltung bei Einschnitten fiel vor allem auf, weil die ÖVP davor in der rot-schwarzen Bundesregierung immer wieder auf neue Reformen bei den Pensionen gedrängt hatte.
ÖVP und FPÖ erhöhen Mindestpension
Jetzt wollen ÖVP und FPÖ gemeinsam im Nationalrat vor der Nationalratswahl noch eine Sondererhöhung der Mindestpensionen auf 1200 Euro brutto im Monat für Menschen mit 40 Versicherungsjahren beschließen, von der nach ihren Berechnungen 40.000 Personen profitieren werden. Das kostet zusätzlich pro Jahr 50 Millionen Euro.
Agenda Austria nimmt auch die fehlende Bereitschaft zu steuerlichen Entlastungen und Einsparungen der türkis-blauen Bundesregierung aufs Korn.
Keine Einsparungenim System
"Im Prinzip ist das Sparen im System nicht zu sehen", stellt Experte Hanno Lorenz fest. ÖVP und FPÖ hatten stets betont, sie würden "im System" sparen. Dem Finanzminister ist nicht nur die günstige Zinsentwicklung bei den Staatsfinanzen zugutegekommen, sondern auch der Umstand, dass Österreich weiter eine hohe Abgabenquote aufweist.
Wichtigster Punkt bleibt für die Agenda Austria daher die Abschaffung der sogenannten kalten Progression, weil durch diese die Steuerzahler bei Lohnerhöhungen automatisch in höhere Steuertarife vorrücken und damit mehr Steuern zahlen. Seit der letzten Steuerreform sind so dem Finanzminister 2,1 Milliarden Euro zusätzlich in der Staatskassa geblieben. ÖVP wie FPÖ hätten zwar im Wahlkampf das Ende der kalten Progression versprochen, aber auch bei der vorerst nur angekündigten Steuerreform nicht umgesetzt. Bis 2022 erhöht sich der Effekt durch die kalte Progression auf 8,5 Milliarden Euro. Agenda Austria verlangt daher die Abschaffung, weil damit die steuerliche Entlastung dauerhaft gegeben sei. In der Schweiz würden beispielsweise die Steuertarife im Ausmaß der Teuerung angehoben. In absoluten Zahlen würden naturgemäß Bezieher höherer Einkommen stärker profitieren, die relative Entlastung sei hingegen bei niedrigeren Löhnen stärker.
Ökonomen fordern Ausgabenbremse
Für eine längerfristige Konsolidierung der Staatsfinanzen führt für die Ökonomen kein Weg an einer formal beschlossenen Ausgabenbremse vorbei. Durch Einmaleffekte und günstige Zinsen allein sei der angestrebte Pfad mit einem Budgetüberschuss nach 2019 nicht zu schaffen.
In einem sind sich Agenda Austria und Finanzminister Müller einig. Es könne nicht gehen, im Parlament gleich wieder neue Ausgaben zu beschließen. Finanzminister Müller hat seine Bedenken vor dem Parlamentsfinale kommende Woche nochmals bekräftigt.
Pflegegelderhöhung kostetjährlich 50 Millionen Euro
Schon bisher hat er durch neue Beschlüsse mit Mehrkosten von rund 100 Millionen Euro gerechnet. Da war aber die am Dienstag erfolgte Einigung über die Erhöhung des Pflegegeldes für alle 462.000 Bezieher ab Jänner 2020 noch nicht einbezogen, die allein Zusatzkosten von 50 Millionen Euro pro Jahr verursacht.
Die Abrechnung des Finanzministeriums für 2018 hat auch bestätigt, wie stark das Budget von der guten wirtschaftlichen Lage im vergangenen Jahr profitiert hat. Dank der Steuereinnahmen aufgrund der guten Konjunkturlage lag das Budgetminus statt der veranschlagten 2,16 Milliarden Euro nur bei 1,1 Milliarden Euro. Die Steuerzahler haben eine Milliarde Euro mehr abgeliefert als geplant. Der für 2019 angepeilte Überschuss sollte klappen.