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Felderer sieht Mitschuld bei Politik - Aiginger vermutet Grund bei Banken.
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Wien. Die führenden Wirtschaftsforscher haben völlig divergierende Ansichten über die Abstufung Österreichs: "Dass das Triple-A-Rating herabgestuft wird, ist das angesichts der Wirtschaftsdaten nicht gerechtfertigt", sagt Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts zur "Wiener Zeitung". Österreich sei "nicht in derselben Liga" wie die anderen betroffenen Länder, die Wachstumszahlen seien deutlich besser.
"Ich kann nur vermuten, dass der Grund für die Herabstufung das große Exposure der österreichischen Banken in Osteuropa, insbesondere Ungarn ist", so Aiginger. Darauf hätten die Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht bereits vorsorglich reagiert, indem sie Ende November eine Regel festsetzten, wonach die Kreditvergabe der Banken in Osteuropa nur noch Hand in Hand mit den Spareinlagen wachsen darf. "Jetzt ist genau das passiert, was wir verhindern wollten", sagt IHS-Chef Bernhard Felderer zur "Wiener Zeitung". Dass die Meldung der US-Ratingagentur just nach einigen Tagen kommt, als sich die Lage in der Eurozone zu entspannen schien - und Länder wie Spanien, aber auch Italien erfolgreiche Anleihenauktionen durchziehen konnten -, gibt Kritikern dieser Unternehmen natürlich neuen Zündstoff.
Felderer nimmt die Ratingexperten dennoch in Schutz: "Ganz falsch wäre es, jetzt wieder Theorien einer amerikanischen Verschwörung gegen Europa aufzustellen und auf die Rating-Agenturen hinzuschlagen. Wir sollten besser eine Schweige- und Denkminute einlegen und nachdenken, wie lange man gebraucht hat." Schon im November habe sich die Dringlichkeit abgezeichnet.
Zinskosten dürften steigen
Wäre die Abstufung zu vermeiden gewesen? Felderer: "Das ist schwer zu sagen. Die Wahrscheinlichkeit hätte sich sehr reduziert, wenn wir vorzeitig ein gutes Paket und eine Schuldenbremse im Verfassungsrang vorgelegt hätten." Österreich müsse sich überlegen, wie es seine politischen Prozesse beschleunigen kann - und es müsse eine "klare Wende zum Abbau der Staatsschulden" geben, so Felderer, der zugleich Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses ist. Ein Triple-A-Rating sei rasch verloren, aber nur sehr schwer und langsam wiederzugewinnen, so Felderer.
Aiginger geht mit den Agenturen viel härter ins Gericht: "Ich will keine Verschwörungstheorien, aber Tatsache ist, dass die Ratingagenturen gewinnorientierte Unternehmen sind und davon profitieren, wenn die Lage unsicher ist. Diese Unvereinbarkeit muss langfristig gelöst werden."
Da viele Investoren den Kauf von Staatsanleihen von einem Toprating abhängig machen, werden wohl auch Österreichs Zinskosten durch die Abstufung steigen. Wie viel das über ein Jahr gerechnet ausmachen könnte, wollen spontan aber weder Felderer noch Aiginger beziffern.
Es gebe viele Faktoren, die zu großen Bewegungen bei den Anleihenrenditen führen können, gibt Aiginger zu bedenken. Allein Schwankungen des Eurokurses und verstärkte Anleihenkäufe von China und Japan könnten eine Bewegung von einem Prozentpunkt in den Renditen (quasi den Zinskosten für den Staat) bringen.