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Die Ökonomin Elisabeth Springler über die Macht der Ratingagenturen und warum alles eine Frage des Glaubens ist.
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Wien. Jeder Staat will ins AAA-Team. Mit ihren Analysen bewerten die Ratingagenturen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Staat seine Schulden begleichen kann, und bestimmen damit über das Schicksal ganzer Länder. Ein Gespräch mit der Ökonomin Elisabeth Springler über Geld, Macht und den unvollkommenen Markt.
"Wiener Zeitung": Das Rating der drei großen Agenturen für Österreich findet sich auch im Budget des Finanzministers wieder. Wieso ist Österreich so scharf auf sein AA+ (zweitbeste Note, Anm.)?Elisabeth Springler: Man glaubt, Ratingagenturen geben ein möglichst neutrales Bild über den Zustand eines Staates. Sie wollen eine Verbindung zwischen Konjunkturprognose und Verschuldung schaffen und damit zeigen, wie die wirtschaftliche Lage ist.
Wie neutral sind denn diese Agenturen?
Die Vorstellung, dass der Markt ein sich selbst regulierendes System ist, stimmt nicht. Weil man immer davon ausgeht, dass kein Mensch eine besondere Macht oder einen Eigennutzen hat. Aber jeder möchte einen Gewinn haben. Es ist nicht einmal ein Oligopolmarkt, obwohl es viele kleine Agenturen gibt. Allein Moody’s und Standard & Poor’s haben weltweit rund 80 Prozent Marktanteil. 15 Prozent kommen auf Fitch. Das, was übrig bleibt, ist kein fairer Markt. Hinzu kommt, dass alle drei keine europäischen Institute sind.
Was bedeuten diese Urteile für Staaten?
Man glaubt, mit dem AAA gibt man uns die bestmögliche Bonität auf einem neutralen Markt. Das, was ein Rating aussagt, ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn ich ein schlechtes C-Rating habe, dann bekomme ich schwieriger Kredite und die Zinsen steigen. Dann steigen auch die Schulden. Damit haben diese Agenturen sehr viel Macht. Man muss hinterfragen: Wem gehören sie, welche Ziele verfolgen sie?
Welche Ziele meinen Sie?
Gewinnorientierung zum Beispiel. Wenn ein Unternehmen für ein Rating sehr viel Geld zahlt und ich rate es schlecht, kann man natürlich darüber diskutieren, ob es sich in nächster Zeit Ratings wird leisten können. Die Ratingagenturen sind meistens sehr eng mit dem Finanzmarkt verwoben, weil sie Eigner aus diesem Bereich haben. Wie man liest, stehen zum Teil große Finanzakteure wie Warren Buffett dahinter oder Schattenbanken wie Black Rock. Da ist die Frage berechtigt, wie unabhängig diese Agenturen sind. Denn im Endeffekt stützen sie jene, denen sie gehören. Die Agenturen sagen zwar, dass sie transparent zeigen, welche Indikatoren sie verwenden. Aber es gibt kaum Informationen über die Eigentümerverhältnisse.
Die Agenturen raten neben Staaten auch deren Gebietskörperschaften. Kärnten wurde im Frühjahr wegen des Heta-Moratoriums auf "Ramsch" eingestuft und kann sich jetzt nicht mehr über den Finanzmarkt refinanzieren.
Ein schlechtes Rating bedeutet nichts anderes als eine höhere Ausfallswahrscheinlichkeit, dass man seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Aus makroökonomischer Sicht gibt es aber für einen Staat keine Grenzen der Verschuldung. Solange ich einen Investor finde, bin ich nicht bankrott. Wenn aber meine Investoren Angst bekommen, verlangen sie einen Aufschlag dafür, dass sie mir Geld leihen. Für Kärnten bedeutet das, dass es sich nun diese hohen Zinsen nicht leisten kann.
Zu den Methoden: Wie sehen diese aus?
Die Agenturen haben vor Ort Analysten, die die Marktlage beobachten und eine Bewertung über das Land abgeben. Wenn in der Krise die Staatsverschuldung steigt, wird das Land schlechter bewertet. In diesem System ist staatliche Intervention per se schlecht. Wenn die Verschuldung steigt, weil die Steuereinnahmen sinken, ist sie schlecht. Wenn die Verschuldung aber steigt, weil ich ein gutes Investitionsprogramm für die nächsten fünf Jahre etabliert habe, ist sie gut.
In der Finanzkrise haben auch die großen Agenturen hochtoxische Papiere, die allesamt horrende Verluste eingefahren haben, mit Bestnoten bewertet.
Ratings beruhen auf der Performance der Vergangenheit. Wenn das fürchterlichste Ramschpapier bisher immer gut performt hat, wissen sie nicht, wie schlecht es eigentlich ist. Den dahinterliegenden Zusammenhang hat man sich entweder nicht ansehen wollen oder er war sogar für Rating-Agenturen zu komplex.
Kann man die Agenturen für ihre Ratings zur Verantwortung ziehen?
Nein. Seit den 1930er Jahren gibt es in den USA Gesetze, dass sie nicht dafür verantwortlich sind, was danach passiert. Sie sagen, sie geben eine Meinung ab, und ich kann dieser glauben oder auch nicht.
Gibt es Alternativen?
Es kommt immer darauf an, auf welches System man sich einigt. Ich könnte zum Beispiel sagen, die europäische Bankenaufsicht kann mir vor Ort die beste Einschätzung geben und ich brauche keine Position von außen. Hier könnten wir aber sagen, dass dort nur Technokraten sitzen und ebenso Daumen hoch oder Daumen runter zeigen. Das soll uns vor Augen halten, dass es bei jedem regulatorischen Regime auch unterschiedliche Machtverhältnisse gibt. Es geht um diese ökonomische Parade, die hier aufgeführt wird. Jeder will ein Triple-A; nur dann bin ich gut. Und wenn ich ein A- bin, weiß ich schon, dass meine Konjunktur kämpfen muss.
Kann man als Staat auch mit einem C glücklich werden?
Wenn dem C niemand glaubt, dann ja.
Zur Person
Elisabeth Springler
ist Leiterin des Studiengangs "Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung" an der Fachhochschule des BFI. Die Wirtschaftswissenschafterin war davor für die Oesterreichische Nationalbank und am Volkswirtschaftsinstitut der WU Wien tätig.