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Die Europäische Kommission steht ähnlich hilflos vor dem Ausgang der italienischen Wahl wie der Rest Europas (und Italien selbst wohl auch). Der absurde Satz aus Brüssel "Wir haben volles Vertrauen in die italienische Demokratie" drückt dies aus. Wenn die EU-Kommission den Satz ernst meint, müsste sie aber folgerichtig dazusagen: "Wir haben null Vertrauen in die Finanzmärkte." Denn die strafen die gewählte Situation gnadenlos ab.
Für den zweiten Satz fehlt der EU-Kommission der Mut, ihn haben dafür die italienischen Bürger in der Wahlzelle gesprochen. Was in Italien herauskam, wird wohl auch in Spanien der Fall sein, wenn die Regierung Rajoy über die Korruptionsvorwürfe stolpert. Vielleicht auch noch in Portugal -und sogar in Großbritannien.
In all diesen Ländern hat die Krise zu Massenarbeitslosigkeit geführt, vor allem die Jungen haben die Hoffnung verloren. Der Populist Beppe Grillo will "das System in die Luft sprengen" - und erhält 25 Prozent aus dem Stand. Das zeigt, dass die EU-weite Sparpolitik vielleicht Goldman Sachs und die Deutsche Bank erfreuen mag, aber die Bürger nicht mehr bereit sind, ihr zu folgen.
Was also tun? Ist die Europäische Union für die Bürger da oder für ihre Gläubiger? In Italien ist der Monti-Sparkurs zu Ende, egal, ob es zwischen Bersani und Berlusconi eine große Koalition geben wird oder aber baldige Neuwahlen.
Italiens Wähler haben gesprochen - für weite Teile Europas. Entweder die EU lässt sich etwas gänzlich Neues einfallen oder die Union zerfällt. Die Durchhalteparolen aus Berlin und Brüssel ("Italien muss seinen Sparkurs beibehalten") sind denn auch Schwachsinn. Der italienische Wähler, der Grillo ankreuzte, wird sich nur bestätigt fühlen. Ein Europa, das Hedge Fonds rettet, aber kein Geld bereitstellt, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen und die Industrie zu unterstützen, hat seine Legitimität verloren.
Nicht Italien ist unregierbar, die europäischen Bürger sind es geworden. Sie fordern mit Recht Perspektiven statt eines ökonomischen Selbstmords auf Raten. Es werden in einer demokratischen Gesellschaft wohl nun Wertpapier-Händler inklusive Notenbanker umdenken müssen, nicht 500 Millionen Europäer.