Reserven zu vier Fünftel in Staatshand. +++ Politik ist weniger krisensicher als die Marktwirtschaft. | Öl - zwei Buchstaben, gleich bedeutend mit Macht und Geld. Lange Zeit galten die großen international tätigen Ölkonzerne als die alles beherrschenden Kräfte in diesem gigantischen Spiel um Milliarden. Aber das hat sich geändert. Die Hauptakteure sind andere geworden.
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Vier Fünftel der Ölreserven der Welt sind in den Besitz von Regierungen oder staatlichen Ölgesellschaften geraten, nur ein Fünftel gehört noch privaten Ölkonzernen. Nicht irgendein Chairman oder Chief Executive Officer hält nunmehr die Fäden in der Hand, sondern Präsidenten und Majestäten. Beispielsweise König Abdullah in Saudi-Arabien, Dmitri Medwedew in Russland, Hugo Chavez in Venezuela, Nursultan Nasarbajew in Kasachstan, Mahmoud Ahmadinejad im Iran, um nur einige der bekanntesten der neuen Ölpotentaten zu nennen. Damit ist Öl mehr denn je abhängig von politischen Entscheidungen.
Am gefährlichsten unter den neuen Herren über das Öl ist wohl der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad. Da geht die Angst bei den Energiepolitikern und Ölfachleuten um: Denn woher kommen bei der gegenwärtigen Knappheit die iranischen 3,8 Millionen Barrel Öl pro Tag, wenn es zu einem Krieg kommt und der Iran als Lieferant ausfällt? Das ist wohl einer der Hauptgründe für die hartnäckige Ölpreishausse. Das ölreiche Nachbarland Irak wiederum hat sich noch nicht vom Krieg erholt.
Irak kann kriegsbedingt nicht viel Öl fördern
Zwei Faktoren haben den siegreichen Amerikanern und ihrer Lust auf Öl einen Strich durch die Rechnung gemacht: Der Wiederaufbau der irakischen Ölindustrie geht viel langsamer vor sich als geplant, und Investitionen in neue Ölfelder im Westen des Landes sind bis jetzt nicht zustande gekommen. Felder, die sagenhafte Reserven bergen sollen, die aber bis jetzt noch nicht einmal richtig erforscht sind. Die Regierung in Bagdad ist jetzt einmal stolz, wieder 2,5 Millionen Barrel am Tag zu fördern. Aber - so Ehsan Ul-Haq, Chefanalyst des internationalen Öl- und Energiehandelshauses von JBC Energy in Wien - es hätten bei friedlicher Entwicklung des Landes schon 5 Millionen sein können. Mit oder ohne Saddam Hussein.
Auch Saudi-Arabien, früher schnell an der Seite der USA, als es in den 1980ern galt, den Ölpreis nach der Krise und den Rekordmarken von 1981 auf Talfahrt zu schicken, spielt jetzt ein anderes politisches Spiel.
Interessen der Saudis unabhängig von USA
Das Land rückt an die Seite jener, die von den hohen Ölpreisen profitieren.
Auf dem Krisengipfel in der saudischen Ölmetropole Jeddah waren die Zusagen, die Förderung zu erhöhen, äußerst zögerlich: "Wenn die Nachfrage es erfordert", so die Einschränkung - keine Rede von einer Preisdämpfung. Denn schuld an den Rekordpreisen seien die Spekulanten und die Steuern. Aber kann es ohne Knappheit eine Spekulation überhaupt geben?
Die 200.000 Fass pro Tag, die die Saudis zusätzlich auf den Markt werfen, sind gerade einmal ein Fünftel des Mehrverbrauchs heuer. Eine glatte Abfuhr für US-Präsident George Bush, der mehr Öl gefordert hatte.
Eine wirkliche Entspannung am Ölmarkt könnte nur ein Angebotsschub von mindestens 2 Millionen Barrel pro Tag bringen, meint der Experte.
Aber da fehlt es an Investitionen, die in den letzten Jahren nicht nur, aber auch aus politischen Gründen unter die Räder geraten sind. Und zwar nicht nur Investitionen in neue Öl- und Gasfelder, sondern auch in bestehende Ölfelder und Förderanlagen.
So will US-Präsident George Bush das Förderverbot vor den Küsten lockern - derzeit darf nur vor der Küste im Golf von Mexiko Öl gefördert werden. Unter dem Druck der Energiepreise rücken jetzt auch die Demokraten immer weiter von ihrem Nein ab.
Extrem kritisch ist die Lage in Mexiko: Cantarell, das zweitgrößte Ölfeld der Welt rund 100 Kilometer vor der Küste im Golf von Mexiko, leidet unter einem Produktionsabfall um ein Drittel in den letzten 12 Monaten. Kritiker meinen, das sei nicht nur ein natürlicher Vorgang: Investitionen seien auf der Strecke geblieben seien.
Der gleiche Vorwurf geht an Indonesien. Das ostasiatische Land musste die Opec, die Organisation erdölexportierender Länder verlassen, weil es einfach kein Öl mehr exportierte. Die Förderung ist seit 2004 von einer Million Fass pro Tag auf 800.000 gesunken, bei steigender Ölnachfrage im Land selbst.
Auch die Kreml-Politik behindert Investitionen: Alexej Miller, Chef des russischen Gas- und Ölriesen Gazprom, bringt es auf den Punkt: Ausländische Unternehmen sollten "nur an der Seite von staatlich kontrollierten Firmen investieren." Vor diesem Hintergrund sind die Streitigkeiten zwischen dem russischen Staat und den Ölmultis ExxonMobil, Shell und BP zu sehen, die sich behördlichen Schikanen, Spionagevorwürfen und Beschuldigungen wegen angeblicher Umweltvergehen ausgesetzt sehen, damit sie staatlichen russischen Unternehmen das Feld überlassen. Vorsorglich hat der Kreml jetzt einmal die Exportsteuern für Erdöl um ein Viertel erhöht, und das bei sinkender Förderung. Russland braucht mehr Öl im eigenen Land, so die Begründung.
Dass der Chef des größten Ölkonzerns der Welt, ExxonMobil, Rex W. Tillerson heißt, ist kaum bekannt. Der Name von Hugo Chavez steht alle paar Tage in der Zeitung. Venezuela fördert mit 3,2 Millionen Barrel am Tag zwar weniger Öl als Exxon. Trotzdem: Chavez hat unter anderem Exxon gezwungen, Anteile an Ölfeldern an den venezolanischen Staat zu verkaufen. Das lässt er sich einiges kosten: So zahlt er dem italienischen Energiekonzern ENI nicht weniger als 700 Millionen Dollar für ein einziges Ölfeld.
Zwei Beispiele, wie die Politik den Ölpreis treibt. Für die 700 Millionen Dollar könnte man rund 50 aufwendige Bohrungen nach neuen Ölvorkommen finanzieren. Doch die tendenzielle Ölknappheit spielt einigen Machthabern in die Hände, weil sie gut daran verdienen. *