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Ohne Adern kein Blut für die Organe - ohne Pipelines kein Erdöl und Erdgas für die Länder Osteuropas. Für sie ist Russland der mit Abstand wichtigste Energielieferant. Einige Länder haben versucht ihre Abhängigkeit von Russland zu verringern - bisher allerdings mit wenig Erfolg.
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Der russische Erdgas-Gigant Gazprom hat mit seinen Pipelines, Beteiligungen und Joint Ventures ein Netz gesponnen, das von Sibirien bis über das Schwarze Meer nach Westeuropa reicht. Rund 25 Prozent der Erdgasimporte für Westeuropa kommen von der Gazprom.
Estland, Lettland, Litauen und die Slowakei sind praktisch vollständig von Russland abhängig, Ungarn, Polen und die Tschechische Republik zu drei Viertel und mehr. In Österreich kommen 80 Prozent der Gasimporte aus Russland und die OMV hat heuer ihren Liefervertrag mit der Gazprom verlängert und aufgestockt.
Die Aktivitäten westlich von Russland sind für die Gazprom ein gutes Geschäft: "Die Gazprom ist zufrieden mit der finanziellen Entwicklung ihrer Joint Ventures in der europäischen Region", erklärte kürzlich die Unternehmenssprecherin Olga Moreva. Insbesondere die neuen EU-Länder in Osteuropa sind in Sachen Energieversorgung von Russland abhängig. "Die EU-Mitgliedschaft hat für diese Länder nicht mehr Wettbewerb oder Diversifikation bei den Energielieferungen gebracht", beschreibt Claudia Kemfert, Energie-Expertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gegenüber der "International Herald Tribune" die Situation. Die baltischen Staaten etwa würde die Modernisierung des eigenen Energiesektors so viel kosten, dass es wahrscheinlich billiger komme weiterhin von Russland abhängig zu sein, so Kemfert. Russland selbst ist bestrebt seine Machtposition in Europa auszubauen. Die Rohölimporte der 25 EU-Länder stammen zu 44 Prozent aus Russland, bei Erdgas sind es 18 Prozent.
"Europa ist von russischem Öl abhängig, bestätigt auch Erdölexperte Ehsan Ul-Haq von der PVM Oil in Wien im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Wo anders geht die Produktion zurück - in Russland steigt sie". Einige Länder hätten vergeblich versucht ihre Abhängigkeit zu reduzieren, und mehr Öl aus anderen Regionen zu importieren. So wollten etwa die Tschechen, Slowaken und Polen leichtes Öl aus der kaspischen Region beziehen. Über die Odessa-Brody-Pipeline sollte Öl vom ukrainischen Schwarzmeerhafen Odessa per Pipeline bis nach Polen transportiert werden. "Länder, die keinen Seehafen haben, können nur über Pipelines importieren", betont Ul-Haq. Doch das kaspische Öl sei nicht im erhofften Ausmaß geflossen. Nun werde die Pipeline erst wieder mit russischem Öl gespeist.
Ein Weg aus der Abhängigkeit von Russland zeichnet sich für den Ölexperten nicht ab. Im Gegenteil, sie könnte sich noch weiter verstärken und, "es ist möglich, dass auch die nordeuropäischen Länder mehr russisches Öl beziehen werden", denn auch die Produktion in der Nordsee gehe zurück. Dabei habe die Ölversorgung aus Russland habe ihre Vor- und Nachteile: Einerseits scheinen die Lieferungen derzeit sicherer zu sein als jene aus dem Nahen Osten, andererseits ist das russische Öl schwerer als das Nordöl und ist daher für den Verbrauch in Europa nur zum Teil geeignet. Schweres Öl werde zum Beispiel für die Industrie und als Treibstoff für Tanker verwendet, leichtes Öl diene als Basis für Benzin, Diesel und Heizöl. "Damit schweres Öl aus Russland für den eigenen Bedarf verarbeitet werden kann, werden die Raffinierien in Europa aufrüsten müssen", prognostiziert Ul-Haq.