Führende Ökonomen wollen die Finanzminister der Industrienationen wegen Offshore-Vermögen in die Pflicht nehmen.
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Es ist Geld, das für Bildung, Infrastruktur und einen funktionierenden (Sozial-)Staat fehlt: Milliarden, die Geschäftsleute, Kriminelle, aber auch ganz normale - vermögende - Bürger durch Steuerkonstruktionen am Fiskus vorbei in Steueroasen bunkern. Diese undurchsichtige und illegale Praxis soll nun ein für alle Mal beendet werden, fordern führende Ökonominnen und Ökonomen.
Im Zuge des russischen Kriegs gegen die Ukraine rückten die Vermögen russischer Oligarchen in den Fokus. Diese Aufmerksamkeit nahmen namhafte Wirtschaftswissenschafter, unter anderem Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der französische Wirtschaftswissenschafter Thomas Piketty und die Korruptionsjägerin Eva Joly, zum Anlass, um von den Finanzministern der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) ein globales Register zu fordern, um verstecktem Vermögen auf die Spur zu kommen. In einem offenen Brief, der am Dienstag auf der Seite der unabhängigen Kommission für die Reform der weltweiten Steuergesetzgebung (ICRICT), eines Thinktanks, sowie der britischen Tageszeitung "Guardian" veröffentlicht wurde, treten sie dafür ein, dass die "einmalige Gelegenheit" genützt werde, die wahren Besitzer von Konten, Stiftungen und Vermögenwerten aufzudecken. Denn die Versuche, russische Vermögenswerte einzufrieren und Oligarchen mit starken Verbindungen zum Kreml zu sanktionieren, hätten eine "Wand der Verschleierung" offenbart, die den Erfolg der Strafmaßnahmen verhindert habe. Russische Oligarchen hätten schätzungsweise "mindestens eine Billion Dollar" im Ausland gebunkert, hieß es in dem Brief, "oftmals versteckt in ausländischen Unternehmen, deren wahre Besitzer schwer zu ermitteln sind".
Panama, Paradise, Pandora
An einem Register für Offshore-Unternehmen und ihren wahren Eigentümern wird seit mehr als fünf Jahren gearbeitet, allerdings nicht von behördlicher Seite, sondern von Journalistinnen und Journalisten. Seit die "Panama Papers" 2016 und später die "Paradise Papers" und andere Dokumente aus den namensgebenden Steueroasen an Aufdeckungsjournalisten gespielt wurden, deckten Medien weltweit Misswirtschaft mit Steuergeldern auf.
In Österreich etwa gaben die "Pandora Papers" Hinweise auf Finanzkonstruktionen rund um ein Tourismusprojekt in Montenegro und die notverstaatlichte Kärntner Hypo Alpe Adria Bank. Die Forderungen, die auf die Hypo-Abbaugesellschaft Heta übergingen, betrugen 44 Millionen Euro. Der Staat, und in Folge die Steuerzahler, erhielten am Ende aber nur 13 Millionen Euro, berichteten damals der ORF und das Magazin "profil", die dem Investigativen Netzwerk ICIJ angehörten. Ebenfalls im Zuge der "Panama Papers" erlegte die Finanzmarktaufsicht der Raiffeisenbank International 2018 eine Geldstrafe von 2,7 Millionen Euro wegen Verstößen gegen die Regeln der Geldwäscheprävention auf. Die Buße wurde später auf 824.000 Euro reduziert und ist nicht rechtskräftig.
Technisch sei die Erstellung eines weltweiten Registers möglich, doch der politische Wille habe bisher gefehlt, kritisiert die Denkfabrik ICRICT. Das Register soll die unterschiedlichen Vermögenswerte auflisten, neben Immobilien und Konten auch Juwelen, Jachten bis hin zu Vermögen in Kryptowährung und Patenten, und deren wahren Eigentümern zuordnen. Es soll keine Ausreden mehr geben, wenn es darum gehe, "die Demokratie zu schützen, die Ungleichheit zu beenden und den Gesellschaftsvertrag zu erneuern", so die Experten. Die Finanzminister der G20 treffen am Mittwoch am Rande der Frühjahrstagung der Weltbank zusammen.