+++ Ölpreis nähert sich wieder Rekordhoch. | Frankfurt. (dpa) Das Schreckgespenst Ölpreis ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Die Angst vor möglichen Lieferengpässen aus Iran hat den Ölpreis in diesen Tagen auf den höchsten Stand seit vier Monaten getrieben. Mit 67,50 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) für US-Leichtöl ist am Freitag der Rekordwert vom August vergangenen Jahres mit 70 Dollar wieder in greifbare Nähe gerückt. Und der Trend zeigt weiter nach oben.
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Der Konflikt um den Iran, die Unruhen in Nigeria und die jüngsten Drohungen Osama Bin Ladens gegen die USA - die Nervosität an den Ölmärkten steigt wieder, die Konjunkturrisken ebenfalls.
Ölpreis bremste das deutsche Wachstum
Die Aussichten etwa für die deutsche Wirtschaft 2006 sind nun schon wieder schlechter als zu Jahresbeginn, weil die relativ optimistischen jüngsten Prognosen mit einem Wachstum der größten europäischen Volkswirtschaft von rund 1,5 Prozent auf der Annahme basieren, dass der Ölpreis nicht weiter wesentlich steigt.
"Da rollt eine neue, ungeahnte Belastungswelle auf den Verbraucher und die Unternehmen zu", sagt der Volkswirt der Citigroup, Jürgen Michels. "Dieses Risiko wurde bisher unterschätzt." Manche Großbanken beginnen bereits damit, ihre Prognosen neu zu berechnen.
Nach gängiger Schätzung haben die Ölpreise das deutsche Wirtschaftswachstum 2005 um 0,3 Prozentpunkte gebremst. Auch deswegen legte die Konjunktur insgesamt nur um 0,9 Prozent zu. Die Auswirkungen der Rekordstände beim Öl wirken sich zum Teil erst jetzt - Monate später - aus.
Es bleibt weniger Geld für
"Die Haushalte erhalten jetzt ihre Abrechnungen für Strom und Öl aus dem vergangenen Jahr. Das wird hohe Nachzahlungen geben", sagt Volkswirt Michels. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hat der Ölpreis im vergangenen Jahr fast zur Hälfte die Teuerung von 2,0 Prozent in Deutschland verursacht. Die Ölpreise haben den Verbrauchern das Geld aus der Tasche gezogen, der Konsum stagnierte.
Ob sich das im laufenden Jahr ändern wird, bleibt die große Frage. Die Ökonomen erwarten bisher wegen Sondereffekten wie der Fußball-WM und vorgezogenen Käufen vor der geplanten Mehrwertsteuererhöhung ein Anziehen des Konsums. Aber: "Diese Annahme basiert auf Ölpreisen von 60 Dollar", sagt Stefan Bielmeier von der Deutschen Bank.
Trichet: "Ölpreis ist ein Schlüsselrisiko"
Aber auch die Gewinnprognosen vieler Unternehmen könnten bald überholt sein. Höhere Kosten schmälern entweder die Margen oder veranlassen die Firmen dazu, die Preise anzuheben, was wiederum die Nachfrage bremst. Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, nannte den Ölpreis kürzlich "ein Schlüsselrisiko für die Wirtschaft". Im vergangenen Jahr haben die deutschen Unternehmen die hohen Ölpreise gut verkraftet, weil sie die Kosten kompensieren konnten durch die boomende Auslandsnachfrage vor allem aus den Erdöl exportierenden Ländern.
160 Dollar für ein Fass, wenn Iran nicht liefert ?
Alles wird von der Schnelligkeit und Höhe des Ölpreisanstiegs abhängen. Neu ist, dass der Preis nicht allein durch die starke Nachfrage vor allem aus China getrieben wird, sondern dass eine Verknappung droht. Lieferausfälle potenzieren die Risiken. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält daher eine Preisexplosion auf bis zu 160 Dollar je Barrel für möglich, falls der Iran seine Ölexporte tatsächlich einschränken sollte. Andere Experten sprechen zumindest von 80 bis 100 Dollar.
Rohstoffexperten erwarten eine Berg- und Talfahrt. Die Märkte sind extrem nervös - und Spekulanten weiter für einen Großteil des Preisanstiegs verantwortlich - real gerechtfertigt wäre nur ein Preis von rund 50 Dollar.
Entscheidend wird auch die Geldpolitik sein. Die Europäische Zentralbank hat begonnen, mit höheren Zinsen von 2,25 Prozent auf die Inflationsrisiken zu reagieren. Kredite werden dadurch teurer. Weitere Schritte werden 2006 erwartet. Aber: Steigt der Ölpreis, dann wären neue Zinserhöhungen völlig kontraproduktiv für die Wirtschaft.