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Olympia kann auch eine Insel der Seligen sein

Von Christoph Rella

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Bei sportlichen Großveranstaltungen fliegen oft gerade kleinen Inselnationen die Herzen der Fans zu. So auch wieder bei den Spielen in Rio.


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Was haben Traumparadiese wie die Fidschi-Inseln, Tahiti, Jamaika oder Trinidad und Tobago gemeinsam? Sie lösen nicht nur bei Aussteigern und Strandurlaubern Begeisterung aus, sondern auch beim Publikum sportlicher Großveranstaltungen wie der Fußball-WM oder Olympia. Denn irgendwie scheinen die Underdogs aus weit entfernten Atollnationen bei den Zuschauern - ganz gleich welcher Nation - ein Stein im Brett zu haben. Ob diese Insulaner eine echte Chance auf einen Titel oder eine Goldmedaille haben, spielt da oft keine Rolle. Als sich etwa die Karibiknation Trinidad und Tobago 2006 erstmals für eine Fußball-WM qualifizierte, schienen ihre Kicker in den deutschen Stadien (und wohl auch vor den TV-Schirmen) mehr Fans hinter sich zu vereinen als so manche Fußball-Großmacht. Ähnlich erging es auch dem französischen Überseeterritorium Tahiti beim Confederations Cup vor drei Jahren in Brasilien oder - Sonnenparadies hin oder her - Island bei der jüngst zu Ende gegangenen Fußball-EM in Frankreich.

Für weitaus größeren Jubel sorgen die, wenn auch unbekannten, aber nicht weniger beliebten Athletinnen und Athleten mit Inselhintergrund aber bei Olympischen Spielen. Und das ganz besonders dann, wenn es der einen oder dem anderen gelingt, eine Goldmedaille zu erobern. So wenige, wie man vielleicht glauben mag, sind das gar nicht. Zählt man die Zahl der insularen Olympioniken bei den laufenden Spielen in Rio de Janeiro zusammen, so kommt man immerhin bereits auf sieben Mal Gold, zwei Mal Silber und fünf Mal Bronze - die beiden zu erwartenden Goldmedaillen Usain Bolts bei den kommenden Läufen über 200 Meter und 400 Meter (Staffel) nicht dazugerechnet. Gelingt dem Jamaikaner der Hattrick, käme allein die Karibik auf acht Goldmedaillen, was nach aktuellem Stand zumindest einen Top-Ten-Rang im Medaillenspiegel bedeuten würde.

Dass diese Siege keineswegs alle in Laufbewerben, für die ja karibische Athleten prädestiniert sind, erobert wurden, macht den Jubel noch viel sympathischer. Denn wer hätte je gedacht, dass Kuba mit dem Ringer Mijaín López einen Olympia-Sieger im griechisch-römischen Stil oder Puerto Rico mit dem gemischten Duo Bethanie Mattek-Sands und Jack Sock zwei Olympioniken im Tennis-Doppel - und das noch dazu gegen das Mutterland USA als Finalgegner - stellen würden? Dass wiederum Shaunae Miller die Goldmedaille über 400 Meter für Bahamas nur mit einem fragwürdigen Hechtsprung über die Ziellinie retten konnte, war freilich nicht besonders galant oder fair - aber wohl eine Ausnahme.

Jedenfalls dürfte der Goldraub dem fröhlichen Image, das die Insulaner bei Olympia gewöhnlich versprühen, nicht geschadet haben. Schließlich sind es nicht nur die Olympia-Sieger, die ihre Fans zum Jubeln bringen, sondern vor allem die ozeanischen und karibischen Nicht- oder Fast-
Sieger, die durch ihre lässige und lebensfrohe Art begeistern. Wer am Montagabend beispielsweise den Gewichtheber David Katoatau (bis 105 Kilo) aus dem Pazifik-Atollstaat Kiribati dabei beobachten durfte, wie er sich lachend und tanzend über seinen sechsten Olympia-Rang freute, mag in dem Moment geahnt haben, worum es bei Olympischen Spielen wirklich geht.