In Pyeongchang werden Bewerbe durchgepeitscht, die im Weltcup-Alltag niemals gestartet worden wären. Die Athleten nehmen es hin.
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Überraschend kommt das wirklich nicht. Wer über ausreichend Langzeitgedächtnis verfügt, der weiß, dass sich wintersportliche Großveranstaltungen auf asiatischem Boden wettertechnisch mitunter schwierig gestalten. Um es vornehm auszudrücken. Die Wetterkapriolen bei Olympia in Nagano 1998 und noch mehr bei der Ski-WM in Morioka anno 1993, wo der Herren-Super-G gleich gar nicht ausgetragen werden konnte, ließen schon im Vorfeld für Pyeongchang nichts Gutes erwarten. Für viele kommt es aber noch schlimmer als befürchtet, weil der orkanartige Wind nicht nur die Wettkämpfe vom Biathlon über Skispringen bis zum Langlaufen zur Lotterie verkommen lässt, eine auf das stramme Olympiaprogramm fokussierte Jury macht die Witterung auch noch zur gefährlichen Angelegenheit. Wo normalerweise im Weltcup-Alltag richtigerweise verschoben oder gar abgesagt wird, wird gnadenlos durchgepeitscht - koste es, was es wolle. Zur Not die Gesundheit der Athleten. Nach der Farce des Snowboard-Slopestyle-Bewerbs der Damen am Montag, wo Österreichs Weltbeste Anna Gasser - normalerweise angstbefreit - buchstäblich vom Winde verweht wurde und ihr darob das blanke Entsetzen im Gesicht stand (unter anderem auch über die rücksichtslose Jury), wurde auch die Herren-Kombination am Dienstag bei einem regelrechten Wintersturm über die Bühne gebracht. Im Wissen, dass nach den Verschiebungen von Herren-Abfahrt und Damen-Riesentorlauf womöglich gar keine Kombinationsmedaillen vergeben werden könnten, wurde entgegen allen Usancen sogar die Abfahrt umgesteckt (ohne vorheriges Training!), um doch irgendwie ein Resultat zu bekommen. War es fair? Aus Sicht der Abfahrer gewiss nicht, denn auf verkürzter Strecke abzufahren, minderte deren Chancen angesichts der schwierigen Slalom-Strecke ganz gewaltig. Aus Sicht des Siegers war es das ganz gewiss, denn Marcel Hirscher profitierte in der Abfahrt zunächst zwar von einer gewaltigen Rückenwind-Bö, die ihn zum Abfahrtslauf seines Lebens trieb, ehe er dann im Slalom durch ungünstige Winde beinahe die Torstangen nicht mehr erkannte und die Goldene plötzlich am seidenen Faden hing. Ausgleichende Gerechtigkeit also für den Salzburger - nicht nur in diesem Rennen, sondern auch für die vielen Enttäuschungen bei den Spielen in Vancouver und Sotschi. Dennoch stellt sich der gemeine Wintersportfan nunmehr die bange Frage, warum sich denn die ach so gut organisierten Sportler derlei gefallen lassen. Vor kurzem in Kitzbühel wurde beinahe jedes präparierte Schneeflockerl mit dem OK-Team ausverhandelt, damit nur ja niemand zu Schaden kommt. Aber bei Olympia lässt man sich im Schneesturm über Sprünge hetzen - was beim Slopestyle womöglich auch tödlich enden kann. Und weil da nicht alle Athletinnen den Start verweigerten und die Organisatoren drohten, dann den Bewerb zu ganz streichen, bleibt für den Einzelnen am Ende nur noch die persönliche Entscheidung. Starte ich oder nicht? Und natürlich startet jeder, weil Olympia eben Olympia und nur alle vier Jahre ist. Da fällt einem Niki Lauda ein, der einst im Formel-1-Titelkampf aus seinem Boliden stieg, weil es ihm im strömenden Regen zu gefährlich war. Das war freilich erst nach seinem beinahe tödlichen Feuerunfall.