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Olympia zum Runterspülen?

Von Tamara Arthofer

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Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

Die Leidtragenden an der Olympia-Politik sind Sportler und Fans - die Zeiten der Ahnungslosigkeit aber ein für alle Mal vorbei.


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Als gäbe es keine anderen Probleme. Vergesst die Menschenrechtslage, vergesst die Korruption, die Umweltsünden und überhaupt das ungute Gefühl, Wladimir Putin hätte es mit Olympia, a geh, nur auf die Befriedigung des überdimensionierten Egos abgesehen - in Sotschi soll zu allem Überdruss auch noch synchron uriniert werden! Die Bilder von Doppeltoiletten ohne Trennwände sind jedenfalls der Renner schlechthin in den sozialen Medien, seit der BBC-Korrespondent Steve Rosenberg im Jänner ein erstes davon gezwitschert und sich dies tausendfach im Internet wiedergefunden hat. Das Befremden ist verständlich, die Aufregung angesichts oben genannter Baustellen aber irgendwie absurd. Und doch werden die Bilder zum Symbol für diese Olympischen Spiele - und nicht nur für diese, sondern für das, was aus dem hehren Gedanken eines völkerverbindenen Festes für die Jugend der Welt geworden ist: ein von vielen zu Recht als widerwärtig wahrgenommenes Fest höchstens noch des Kommerzes und der Politik, deren Protagonisten sich selbst feiern und die Sportler, so sie denn artig sind, gerade noch als Statisten akzeptieren. Dass man das Russland allein zum Vorwurf macht, entbehrt allerdings nicht einer gewissen Heuchelei. Schließlich waren die nun kritisierten Menschenrechtsverletzungen kein Geheimnis, das war auch schon bei Spielen in der Vergangenheit so. Dass die Diskussionen nun eine Eigendynamik bekommen haben, die das IOC nicht mehr ignorieren kann, schadet freilich nicht. Die Kernbotschaft: Olympia muss wieder leistbarer und für demokratische Länder attraktiver werden, es müssen die Sportler in den Vordergrund gestellt werden und nicht die Inszenierung, damit Machthaber gar nicht die Chance haben, die Spiele als Propagandainstrument zu missbrauchen. Die Agenda 2020, die das IOC nun samt Reformideen für die Vergabekriterien auf den Weg bringt, mag ein Schritt sein. Es bleibt aber zu befürchten, dass sie über den Zustand eines Alibipapiers nicht hinauskommt, das man dann getrost im (Doppel-)Klo hinunterspülen kann. Wenn, wie angedacht, Besuche der IOC-Mitglieder in Bewerberstädten wieder erlaubt werden, öffnet man erst recht Schmiergeldzahlungen Tür und Tor. Und wenn’s hart auf hart geht, ist die härteste Währung eben nicht die moralische, sondern die wirtschaftliche. Die Leidtragenden sind die Sportler und die Fans - aber die Zeiten der ostentativen Ahnungslosigkeit innerhalb des IOC und der Politik vorbei. Wenigstens das lehren die Putin’schen Spiele.