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Wien - Kanada liebt seine Indianer, besonders, wenn sie als Volkstanzgruppe beim Besuch der Königin auftreten. Doch das Land lässt in der Frage der Landrechte in der Regenwald-Provinz Britisch-Kolumbien nach wie vor zu wünschen übrig, das hat jetzt sogar die UNO gerügt. Auch die Bewerbung Vancouvers für die olympischen Winterspiele 2010 verheißt nichts Gutes: Neue Schischaukeln sollen in dem von den Shuswap- und Lilwat-Indianern beanspruchten Gebiet entstehen. Chief Arthur Manuel ist deswegen nach Lausanne und nach Wien gefahren, weil ihm die kanadische Regierung nicht zuhört.
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Schon der clear cut, die von der nordamerikanischen Holzindustrie angewandte Kahlschlagmethode, bereitet den Indianern - und nicht nur ihnen - große Sorgen. Nicht nur in den Regenwäldern an der kanadischen Westküste und in Alaska, die von der warmen Nordpazifikdrift mit Niederschlagsmengen gesegnet sind, wie man sie meist nur im Amazonas- und im Kongobecken messen kann, verursacht die flächenweise Schlägerung jedes noch so dünnen Stumpfs und Stiels, der als Bauholz nichts taugt, Erosion. Hangrutschungen sind nach Kahlschlägen oft die Folge, die Wiederaufforstung, zu der die Firmen verpflichtet sind, misslingt nicht selten. Für die Indianer gehen dabei oft traditionelle Fisch- und Jagdgründe verloren. Der Zug der Lachse wird durch die beschleunigte Schneeschmelze an solch entblößten Hängen behindert, in schlammigem Wasser verlieren sie die Orientierung, Muren bilden neue Barrieren - oder der Laich wird abgeschwemmt. Auch das Wild wird verschreckt; man möchte meinen, Elche, Wapitis und Rotwild hätten auf den entwaldeten Flanken mehr Gras, aber Jäger wissen es anders - und Förster wissen, dass sich diese althergebrachten Beutetiere der Indianer am liebsten an den frisch gepflanzten Bäumchen laben. Der Kahlschlag ist ökologisch eine Katastrophe und forstwirtschaftlich zudem zweifelhaft.
Wozu denn jagen?
Dumme Frage: Wieso gehen die Indianer jagen, haben sie denn keine anderen Traditionen? Doch, Fernsehen. Denn gut die Hälfte von ihnen ist arbeitslos. Legte man jene Kriterien, mit welchen die UNO Kanada in den letzten Jahren als eines der Länder mit der höchsten Lebensqualität eingestuft hat, an die Verhältnisse der indigenen Gemeinschaften, etwa Britisch Kolumbiens, an, so würden sie an 47. Stelle landen, sagt Chief Arthur Manuel vom Stamm der Shuswap, der- zeit auf Einladung der Gesellschaft für bedrohte Völker in Wien. Er ist Vertreter der "Interior Alliance", einer Plattform von Stämmen, die im waldreichen Innern der Provinz ihre Heimat haben. Dort, etwa auf halber Strecke zwischen Vancouver und Calgary, Alberta, leben sie, im Versuch, ihre Umwelt und Traditionen zu bewahren, und sehen zwei touristischen Großprojekten mit Bangen entgegen. Denn von der Bewerbung Vancouvers für die olympischen Winterspiele im Jahr 2010 versprechen sich lokale Investoren gewaltige Profite. In Sun Peaks sollen die Kapazitäten von derzeit 5.000 Betten auf 24.000 aufgestockt, in Melvin Creek nahe Whistler soll in einem der letzten unberührten Täler eine neue Schi-Schaukel überhaupt erst "entwickelt" werden. Gegen den Massenansturm aus dem Inland, aus den USA, aber auch Europa haben sich die Indianer schon bisher vergeblich zu wehren versucht, eine Gruppe Jugendlicher muss sich nach einer Protestaktion jetzt wegen Landfriedensbruchs verantworten. Es stehen also weitere Abholzungen bevor, noch mehr Verkehr. Mehr Jobs? Der Häuptling lächelt skeptisch: "Hamburger braten - eine Saison lang, das will bei uns keiner. Nachher sitzst du wieder da." Die schlechten Jobs für die Indianer, die guten für die Kanadier? Das UNO-Komitee für die Eliminierung rassischer Diskriminierungen jedenfalls hat Kanada jüngst für seine Indianerpolitik in ungewöhnlicher Schärfe gerügt.
Ungeklärte Landrechte
Jetzt geht es den Indigenen darum, ihre Landrechte (Fischerei, Jagd, Holz und Selbstverwaltung) endgültig festzuschreiben. Die Klärung dieser Ansprüche kostet allerdings Millionen, die sie nicht haben. Bis in die 50-er Jahre durften Indianer nicht einmal Rechtsanwälte für ihre Landansprüche engagieren; Rechtsanwälte, die dies trotzdem taten, wurden mit Berufsverbot belegt. Kanada kann also - und tut es ausgiebig - bis auf Widerruf in Stammesland Pachten und Schlägerungslizenzen vergeben, Straßen und Schipisten bauen. Chief Arthur Manuel hat sich nicht wie andere mit Kompromissen abspeisen lassen. Und Vancouvers Bewerbung hat ihm, neben der Bedrohung durch noch mehr Massentourismus, auch ein Druckmittel an die Hand gegeben. Beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) in Lausanne hat er bereits eine Beschwerde eingereicht, in Wien machte er beim Generalsekretär des Österreichischen OC, Heinz Jungwirth, für seinen Lebensraum Lobby. Österreich bewirbt sich ebenfalls um die Winterspiele 2010.
"Internationaler Druck ist essentiell für uns, zumal die liberale Regierung in Ottawa die absolute Mehrheit hat", so der Chief. Die "Wiener Zeitung" wird wieder berichten, wenn Kollegin Barbara Ottawa dieser Tage von einer von Kanada initiierten Image-Tour aus Britisch Kolumbien zurückkehrt.