Der Druck ist enorm. Nur noch acht Monate hat Griechenland Zeit, um sich für die Olympischen Spiele im August 2004 vorzubereiten. Noch sind die Sportstätten und wichtige Infra-strukturprojekte nicht fertig, doch mittlerweile wurde ein Drei-Schicht-Betrieb eingeführt. Der ist natürlich viel teurer als zwei Schichten und hat schon viele Opfer gefordert.
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Bisher sind auf den Baustellen für die Sommerspiele 11 Arbeiter ums Leben gekommen, fünf davon im Olympischen Dorf. Soweit die offiziellen Zahlen, die als zu gering eingeschätzt werden. Doch zu Schaden kamen weit mehr: Im ersten Halbjahr gab es 60 Unfälle auf Baustellen, die damit gegenüber dem vergangenen Jahr um 50 Prozent zugenommen haben.
Die hohe Zahl der Arbeitsunfälle hängt mit der Frühliefer-Prämie zusammen. Die kann nämlich bei einem großen Bauvorhaben eine Million Euro ausmachen. Die Bauarbeiter sind zumeist unerfahren aber sehr billig, die zur Verfügung stehenden Maschinen sind oft schlecht. Die billigen Arbeitskräfte kommen zu einem großen Teil aus Albanien und Rumänien, manche von ihnen haben einen 14-Stundentag, die Sicherheitsbestimmungen werden dabei einfach ignoriert. Die Arbeitsinspektoren sind überfordert, da die EU-Richtlinien über Sicherheit am Arbeitsplatz viel zu spät umgesetzt wurden.
Und der Druck wird bis zum letzten Tag anhalten. Dessen ist sich der Deutsche Jörg Schill sicher. Der Freiburger beaufsichtigte auch die Bauarbeiten für den neuen Flughafen und ist nun als Berater von Gianna Angelopoulos-Daskalaki tätig. Die Rechtsanwältin aus Kreta ist Präsidentin von Athoc, jener Organisation, die für die Vorbereitung der Olympischen Spiele verantwortlich ist. "Es muss alles schneller laufen". Fast könnte man meinen der Deutsche spricht von einer Olympischen Disziplin und nicht von Bauarbeiten. Am 13. August wird die Eröffnungsfeier stattfinden und "dieses Datum ist unverrückbar". Schill gibt Verzögerungen zu, doch die Fortschritte seien sichtbar. "Wir dürfen keinen Tag mehr verlieren." So liegt die neue Straßenbahn vom Zentrum zur neuen Segelsportanlage Faliro stark im Rückstand.
Unterdessen macht die griechische Verwaltung Probleme. Die Regierung unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Kostas Simitis sieht sich seit Monaten mit einer Reihe von Streikwellen konfrontiert. Ärzte, Lehrer, Polizisten, Taxifahrer und Beamte fordern höhere Gehälter. Denn noch vor Olympia muss im Frühjahr gewählt werden und davor werden von verschiedenen Gruppen eben die Wahlzuckerl eingefordert. Simitis hat nämlich ein Sozialpaket im Ausmaß von 2,6 Mrd. Euro versprochen. Auch hat die Regierung bereits im Oktober angekündigt, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst um durchschnittlich 5,4 Prozent steigen werden. Wie der Staat diese finanzieren soll, ist unklar.
Denn allein die Mittel für das olympische Spektakel haben den Rahmen längst gesprengt. Ausgegangen wurde von 2,5 Mrd. Euro, nun sind bereits 4,6 Mrd. Euro einkalkuliert, doch tatsächlich wird mit 6 Mrd. Euro gerechnet. Finanziert wird ein Teil mit einem 1,5-Mrd.-Kredit der Europäischen Investitionsbank. Außerdem greift die EU den Griechen mit Geld aus dem Strukturausgleichsfonds kräftig unter die Arme: Sie bekommen um 4,7 Mrd. Euro mehr als sie einzahlen.
Trotzdem musste Finanzminister Nikos Christodoulakis bereits eingestehen, dass er sein Ziel, das Defizit auf 0,9 Prozent des BIP zu drücken, verfehlen wird. Der Fehlbetrag wird von Experten auf 1,7 Prozent geschätzt. Unter diesen Voraussetzungen sind alle Hoffnungen, dass Griechenland schon in den nächsten Jahren schwarze Zahlen schreiben und seinen Schuldenstand peu a peu reduzieren könnte, geschwunden.
Die Regierung denkt nun an Privatisierung. So sollen Teile des Olympia-Geländes um 300 Mill. Euro an die staatliche "Touristik-Immobilien" verkauft werden, um sie anschließend an Private zu verleasen. Auch hat der Staat 11 Prozent der National Bank, der größten Geschäftsbank des Landes, verkauft und dafür rund 450 Mill. Euro von in- und ausländischen institutionellen Investoren kassiert. Das Geld soll zum Abtragen des Schuldenberges dienen. 25 Prozent des Kreditinstitutes werden noch von Griechenland kontrolliert.
Die olympischen Spiele werden vor allem ein Touristenspektakel. Laut einer jüngsten Umfrage sind die Athener davon unbeeindruckt. 55 Prozent wollen von dem Großereignis gar nichts wissen. Dreiviertel sind wegen der Kosten besorgt.
Teuer könnte der Olympia-Besuch auch für die Gäste werden. Denn es ist fraglich, ob genügend Hotelbetten für den erwarteten Ansturm zur Verfügung stehen. Deshalb werden Kojen auf Luxuskreuzern angeboten. Auch Privatwohnungen werden vermietet, allerdings zu astronomischen Preisen. Kritik von der Regierung gab es an den Reise-Veranstaltern, die Olympia-Reisen extrem teuer offerieren: Manche verlangen für Flug und drei Tage in einem 2-Sterne-Hotel 3.000 Euro. Den Hoteliers droht der Entzug der Lizenz, sollten sie weiter Wucherpreise verrechnen. Unter Beschuss ist auch die griechische Zentrale für Fremdenverkehr (EOT) wegen ihrer Kampagnen geraten. Die Regierung will EOT nun zu 51 Prozent privatisieren.