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Olympische Zwischenbilanz: Wir führen!

Von Richard Kühnel

Gastkommentare
Richard Kühnel ist Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich.

Eine europäische Perspektive zur Medaillenjagd bei den Olympischen Spielen in London.


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Wieder keine Medaille in London? Viele Österreicher, und nicht nur ausgemachte Sportfans, verfolgen mit Spannung die Olympischen Spiele. Bei aller Bewunderung über die großen Leistungen der Schwimmer, Reiter, Ruderer und Co. ist bei vielen aber die Freude gedämpft ob der bisherigen Ergebnisse der österreichischen Olympioniken.

Ihnen darf ich eine Zusatzperspektive anbieten. Denn die Medaillenbilanz wird bisher dominiert von . . . den Chinesen, den Amis? Nein, sondern von den Europäern!

Athleten aus der Europäischen Union haben bei den Olympischen Spielen in London bisher mehr als 50 Gold-, rund 60 Silber- und mehr als 50 Bronzemedaillen auf ihrem Konto.

Als Bürger eines EU-Landes sind wir ja alle auch Unionsbürger, und wer in seiner Brust Platz findet für eine zusätzliche Identität - neben einer regionalen und der österreichischen -, der kann sich als Europäer über das großartige Abschneiden unserer Damen und Herren freuen: Zwei Gold- und eine Silbermedaille für den französischen Schwimmer Yannik Agnel, ebenfalls zweimal Gold für den deutschen Reiter Michael Jung, eine Judo-Goldmedaille für den Slowenen Urska Zolnir und im Teamsprint der Bahnradfahrer sogar ein Dreifachsieg: Großbritannien vor Frankreich und Deutschland.

Natürlich ist und bleibt die vorwiegende Identifikation mit Sportlern eine nationale, so wie auch die sportpolitische Verantwortung für Strukturen und Förderungen. Die Europäische Union hat hier nur koordinierende, unterstützende und ergänzende Aufgaben, die sie aber ernst- und wahrnimmt. In einem umfassenden Weißbuch 2007 hat die EU-Kommission den "Pierre de Coubertin"-Aktionsplan präsentiert, der sich insbesondere mit der Bedeutung des Sports für Gesundheit, Bildung und soziale Eingliederung befasst, aber auch die Bedeutung der ehrenamtlichen Tätigkeiten und Sportfinanzierung anspricht. Weitere wichtige Aspekte des nach dem Gründer der modernen Olympischen Spiele benannten Aktionsplanes sind der Kampf gegen Doping und die Sicherheit bei internationalen Sportveranstaltungen. Mehr europäische Kooperation und mehr Austausch zwischen allen Akteuren auf europäischer Ebene kommen allen europäischen Sportlern und Sportinteressierten, und damit auch den Österreichern, zugute. Der Vorsprung der Chinesen und Amerikaner liegt ja oft im enormen heimischen Leistungsdruck, gepaart mit den ebenso enormen Möglichkeiten ihrer Verbände. Größe scheint hier echt einen Unterschied zu machen.

Dabei sein ist sicher sehr viel, und ich ziehe meinen Hut vor jedem Einzelnen, der sich für die Spiele qualifiziert hat und dort tolle Leistungen erbringt. Als Zuseher freue ich mich, Dinko Jukic und Markus Rogan beim Schwimmen, Corinna Kuhnle im Kanu oder die Schwaiger-Schwestern beim Beachvolleyball anzufeuern. Aber wer möchte, kann auch anderen Athleten aus der EU die Daumen drücken, wenn sie sich mit Japanern, Australiern, Amerikanern oder Chinesen messen. Erfolgserlebnisse sind garantiert. Sie haben noch eine Woche Zeit für dieses Experiment.