Rund um Rainer Seeles angekündigten Rückzug aus der OMV ist im Konzern ein Richtungsstreit entbrannt.
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Die OMV war das erste westliche Unternehmen überhaupt, das Geschäftsbeziehungen mit der damaligen UdSSR betrieben hat. 1968 schloss die damals staatliche Österreichische Mineralölverwaltung Aktiengesellschaft einen Gasliefervertrag mit der Sowjetunion. Über die Pipeline Druschba (zu Deutsch "Freundschaft") kommt seit mehr als 50 Jahren russisches Gas über die Ukraine in die Verdichtungsstation in Baumgarten und wird von dort in den Rest Österreichs und in Richtung Westeuropa verteilt. Der Gasknotenpunkt in Baumgarten an der March nahe der slowakischen Grenze ist einer der wichtigsten in ganz Europa. Etwa 40 Milliarden Kubikmeter Gas und gut ein Drittel der russischen Gasexporte fließen über das Verteilzentrum. Betreiberin ist die Gasconnect Austria, an der die OMV mit 51 Prozent beteiligt ist.
Die Zukunft soll aber grüner, sauberer, emissionsfreier sein. Gas und Öl als Verbrennungsrohstoffe passen nicht in die Klimastrategie der EU. Bis 2030 wollen die EU-Länder ihre CO2-Emissionen um 55 Prozent reduzieren, bis 2050 will die Staatengemeinschaft klimaneutral sein, also nur noch so viel CO2ausstoßen, wie auf natürlichem Weg abgebaut wird.
Neuausrichtung eingeleitet
Die OMV, die am 2. Juni ihre Hauptversammlung hat, muss sich angesichts dessen neu positionieren. Corona-bedingt findet die Hauptversammlung auch heuer wieder virtuell statt. Für den Konzern bedeuten die Klimaziele und der Umbruch im Energiesektor einen Umbau in Richtung Petrochemie und chemischer Verarbeitung von Erdöl. Noch-Konzernvorstand Rainer Seele hat diesen Umbruch mit der "Strategie 2025" und dem Kauf des Chemiekonzerns Borealis eingeläutet.
Vor kurzem hat Seele aber bekanntgegeben, dass er 2022 die OMV verlässt. Sein Vertrag läuft im Juni kommenden Jahres aus, und er steht nicht für eine Vertragsverlängerung zur Verfügung. Seele war intern massiv unter Druck geraten, nachdem die Rechercheplattform "Dossier" Berichte veröffentlicht hatte, wonach die OMV Umweltaktivisten ausspioniert haben soll. Und auch rund um den Borealis-Kauf gab es Gegenwind für Seele. Zur Erinnerung: Im Vorjahr hat die OMV für 4,11 Milliarden Euro weitere 36 Prozent an ihrer Borealis-Tochter vom Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate, Mubadala, übernommen und hält nun 75 Prozent am Petrochemiekonzern. Mubadala wiederum ist mit 24,9 Prozent der zweitgrößte OMV-Aktionär. Kritiker werfen Seele vor, dass der Kaufpreis inmitten der Corona-Pandemie zu hoch gewesen sei.
Mit Seeles Abgang wackelt nun die Neuausrichtung des Konzerns. Intern ist ein Machkampf um den Vorstandssessel und die Ausrichtung der OMV ausgebrochen. Der teilstaatliche Konzern, an dem die Österreichische Beteiligung AG (ÖBAG) 31,5 Prozent hält, fußt auf drei Säulen: dem Upstream-Geschäft, also der Öl- und Gasförderung, der Verarbeitung in den Raffinerien und der neuen Chemiesparte. Intern fürchtet die Gas- und Ölsparte durch die Neuausrichtung einen Machtverlust. Dem Vernehmen nach soll sich Johann Pleininger, Vorstand für die Öl- und Gasförderung, schon als Seele-Nachfolger in Stellung bringen. Er ist seit drei Jahrzehnten im Konzern und setzt auf Gas als Überbrückungstechnologie. Das Kunststoffgeschäft soll er für weniger ertragreich halten.
Alfred Stern ist Vorstand für das Chemiegeschäft und war zuvor Vorstandschef bei Borealis. Er sieht in der Kunststoffproduktion, der chemischen Veredelung und dem Recycling von Rohöl eine Zukunftsperspektive für die OMV. Auch sein Name soll im Richtungsstreit immer wieder fallen. Für heuer sind Investitionen von insgesamt 2,7 Milliarden Euro prognostiziert. Je nachdem, wer sich intern durchsetzt, wird mehr Geld in die eine oder andere Sparte fließen.
Russland-Connection bleibt
"Die OMV wird auch weiterhin ein integriertes Unternehmen bleiben, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette starke Erträge erwirtschaftet - in der Exploration & Produktion sowie im Bereich Refining & Marketing ebenso wie im Chemiesektor. Die Vorwärtsintegration in die Chemie bedeutet nicht nur eine Schubkraft für den Konzern, sie bringt auch zusätzliche Stabilität", heißt es auf Nachfrage zur Ausrichtung in einem Statement der OMV. Und weiter: "Wir werden unsere Rohstoffe zunehmend veredeln, anstatt sie zu Kraftstoffen zu verarbeiten, und wir sind überzeugt, dass chemische Produkte und hochwertige Kunststoffe auch noch 2050 und weit darüber hinaus benötigt werden."
2018 hat die OMV ihre "Strategie 2025" vorgestellt, und diese sieht unter anderem eine Stärkung der Chemiesparte vor. Seele hat im Zuge dessen auch angekündigt, keine Neuinvestitionen in Form von Akquisitionen im Bereich Erdöl zu machen. Man wolle auf die Umbrüche im Energiesektor reagieren und auf das Recycling und die Verarbeitung von Rohöl, etwa im Bereich der hochwertigen Kunststoffe, setzen.
Wie schnell die Umbrüche passieren und vor allem welche Rolle das Gasgeschäft in den kommenden Jahrzehnten spielen wird, darüber ist man sich im Konzern nicht ganz einig. Ebenfalls 2018 hat die OMV nämlich auch einen Gasliefervertrag mit der russischen Gazprom unterzeichnet, der bis 2040 läuft. Genau 50 Jahre nach dem ersten Vertrag mit der damaligen UdSSR wurde der neue Vertrag von OMV-Chef Seele und Gazprom-Chef Alexey Miller unterschrieben, im Beisein des russischen Präsidenten Wladimir Putin und von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Außerdem ist die OMV über ein Konsortium an der im Bau befindlichen Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt.
ÖBAG geschwächt
Die ÖBAG hat gegenüber dem OMV-Aufsichtsrat ein Vorschlagsrecht für den Vorstandsposten. Mubadala hat als Syndikatspartner und zweitgrößter Miteigentümer aber ein gewichtiges Wort mitzureden. Die ÖBAG ist außerdem rund um die Enthüllungen und Chats ihres Vorstands Thomas Schmid - der zudem stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der OMV ist - derzeit geschwächt und fast handlungsunfähig. Schmid ist seit den Enthüllungen abgetaucht, und die ÖBAG hat sich bisher auch nicht zu den Vorgängen in der OMV geäußert. Im Vorjahr setzte der Betrieb 16,55 Milliarden Euro um. Die Dividende je Aktie betrug 1,75 Euro. Dem Staat, der ja über die ÖBAG 31,5 Prozent hält, brachte das circa 180 Millionen Euro.