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OMV - Gazprom - BASF: Jetzt kommt das Hochstemmen

Von Wolfgang Schollnberger

Gastkommentare
Das Urengoy-Gasfeld könnte für die OMV zu einem teuren Pflaster werden. Foto: afp/Maxim Marmur

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Die am 1. April in St. Petersburg in Anwesenheit mehrerer Minister geführten Gespräche zwischen Gazprom und OMV sowie die getroffenen Abmachungen (Gazprom-Öllieferungen an die OMV; Urengoy-Swap; Nord Stream 2; Technologie- und Kulturaustausch) haben einige Klärung gebracht, vor allem hinsichtlich der Eingabe von OMV-Assets im Urengoy-Swap (die "Wiener Zeitung" berichtete darüber).

Ganz wichtige Entscheidungen im künftigen Verhältnis zwischen Gazprom und OMV stehen aber noch an. Als unbeteiligtem Beobachter scheint es mir: Die Hände sind an der Hantel, nun kommt das Hochstemmen. Und gerade dieses Hochstemmen ist durch die am 18. April durch die russische Regierung verkündigte Zwangserhöhung der Dividende von 25 auf 50 Prozent, die Gazprom künftig an den russischen Staat abliefern muss, deutlich schwieriger geworden.

OMV bindet sich mit Öllieferungen an Russland

Da die OMV-Raffinerien reichlich mit Öl versorgt sind und kein zusätzlicher Bedarf für Kapazitätsausweitung besteht, ergeben sich folgende Fragen: Wieviel wird die OMV der jetzt besonders geldhungrigen Gazprom für das zusätzliche Öl bezahlen? Welche der jetzigen Lieferanten werden Einbußen erleiden: Kasachstan? Aserbaidschan? Andere? Werden die Slowakei und die EU entsprechende Genehmigungen für die geplante Verlängerung der Druschba-Pipeline nach Österreich erteilen? Und wer wird die verlängerte Druschba besitzen? Wer wird für die Verlängerung zahlen? Etwa die OMV? Ist es vernünftig, dass sich die OMV gerade jetzt, in einer Zeit also, in der billiges Erdöl aus vielen anderen Quellen reichlich zu Verfügung steht, verstärkt an Russland bindet?

Urengoy-Swap scheint durch billiges Erdgas überflüssig

Wäre es nicht doch besser für die OMV, nach wie vor Gas direkt auf europäischen Märkten von verschiedenen Quellen, natürlich auch von Russland/Gazprom, zu kaufen und es Gazprom zu überlassen, das Risiko und alle Kosten der Aufsuchung und Förderung von Gas in Russland selbst zu tragen? Macht das weltweite Überangebot von relativ billigem Erdgas den Urengoy-Swap, bei dem die OMV in einen vor Jahren - als der russische Gaspreis noch doppelte so hoch war wie heute - zwischen Gazprom und BASF/Wintershall ausgehandelten Deal einsteigt, nicht überflüssig?

Wirtschaftlich bedenklich erscheint, dass die OMV jetzt, so wie Wintershall zuvor, erst eine Eintrittskarte bei Gazprom lösen muss, um überhaupt in Urengoy hineinzukommen. Und das ist erst der Beginn: Einmal in Urengoy drinnen, muss die OMV alle ihre Kosten und Risiken der Aufsuchung und Gewinnung von Gas in den Blöcken Achimov IV und V als Junior Partner (24,98 Prozent) von Gazprom (50,01 Prozent) und BASF/Wintershall (25,01 Prozent) tragen und wahrscheinlich darüber hinaus auch noch die Kosten von Gazprom zum Teil vorfinanzieren.

Danach muss die OMV das von ihr geförderte Gas zu einem verhandelten russischen Inlandspreis an Gazprom verkaufen (weil ja keine vom russischen Staat unabhängige Firma in Russland Pipelines besitzen darf und die OMV daher ihre Produktion nicht selber abtransportieren kann), um es schließlich zu einem viel höheren europäischen Preis von Russland zurückzukaufen.

Nach St. Petersburg wurde klar, dass die OMV, sollte Gazprom der Wert der Eintrittskarte (die Beteiligung von Gazprom an den Nordsee-Feldern der OMV) zu niedrig sein, einen noch niedrigeren Preis als den russischen Inlandspreis für ihr Urengoy-Gas wird hinnehmen müssen. Rechnet man noch die (jederzeit erhöhbaren) Steuern, Abgaben und Dividenden dazu, die die OMV in Russland wird zahlen müssen - und berücksichtigt man die Langzeitfolgen der jetzt vom russischen Staat der Gazprom abgezwungenen 100-prozentigen Dividendenerhöhung -, kann das Urengoy-Gas, trotz der anscheinend niedrigen Produktionskosten, für die OMV ziemlich teuer werden. Ein Trostpflaster wäre allerdings, wenn, wie die OMV bekannt gab, sie wenigstens den Anteil ihres Gases, der in Kondensat -Form anfällt, zum Weltmarktpreis verkaufen könnte.

OMV braucht trotz Urengoy Budget für Exploration

Die Annahme, dass der OMV-Anteil an den Urengoy-Blöcken ölequivalente Reserven enthält, um die OMV-Produktion für fünf Jahre zu ersetzen, und daher das Explorationsbudget der OMV für die nächsten fünf Jahre drastisch gekürzt werden kann, ist ein Denkfehler. Zunächst sollten unabhängige Experten nach internationalen Standards bestätigen, wie groß die Urengoy-Reserven überhaupt sind. Und sollten sie tatsächlich so groß sein wie erhofft: Was wird nach fünf Jahren geschehen? Anders als bei einer chemischen Fabrik oder einer Raffinerie, die sich, wenn es sein muss, kurzfristig abschalten und wieder hochfahren lassen, ist das für einen Explorationsbetrieb nicht möglich.

Moderne Exploration benötigt neue Seismik und Bohrungen, den massiven Einsatz von hochspezialisierter Computertechnologie, Datenmanagement und Präzisionsgeräten, vor allem aber die Kontinuität der Kenntnis und Erfahrung hochqualifizierter Fachkräfte. Das alles geht verloren oder wird obsolet, wenn man den Geldhahn für die Exploration für ein paar Jahre zudreht. Wie soll die OMV ab 2021 die Produktion durch neue Reserven ersetzen? Gerade jetzt, wo die Preise für Rohöl und Gas niedrig sind, gibt es eine Anzahl von Ländern, die der OMV günstige Bedingungen für den Einstieg ins Explorationsgeschäft bieten. Ohne hinreichende aktuelle Kenntnis der Petroleumhäufigkeit außerhalb Russlands bleibt wohl nur der Einkauf in weitere russische Ölfelder - eine Sackgasse.

Pipeline Nord Stream 2wird für OMV sehr teuer

Auch die Beteiligung der OMV an Nord Stream 2, wieder im Schlepptau von BASF/Wintershall, verdient Beachtung. Die gegenwärtig vorhandene Kapazität in Gaspipelines von Russland nach Westen ist nicht ausgelastet. Stark ansteigender Gasbedarf in Europa, also eine Umkehr der Entwicklung der vergangenen Jahre, ist ein Wunschtraum der Petroleumindustrie, aber nicht durch Daten gestützt.

Die geplante Pipeline Nord Stream 2, die zu 51 Prozent Gazprom gehören wird, hat nur dann einen Sinn, wenn man davon ausgeht, dass russisches Gas aus geopolitischen Gründen ab 2019 nicht mehr durch die Ukraine nach Baumgarten und weiter nach Europa fließen wird. Warum die OMV in Nord Stream 2 investiert - sich also selbst den Gashahn in Baumgarten abdreht und dafür auch noch bezahlt - ist unter der Annahme einer friedlichen Entwicklung in Osteuropa unverständlich.

Und bezahlen wird die OMV müssen: und zwar nicht nur ihren 10-prozentigen Anteil an den mit rund 9 Milliarden Euro veranschlagten Kosten, sondern möglicherweise auch einen Teil des 51-prozentigen Anteils der jetzt besonders geldhungrigen Gazprom (siehe die oben erwähnte Dividendenerhöhung von 100 Prozent) als Vorfinanzierung. Dazu kommt, dass das russische Gas der Pipeline Nord Stream 2 vom deutschen Greifswald irgendwie nach Baumgarten gelangen muss. Diese Verbindung wird mindestens 2 bis 7 Milliarden Euros kosten, je nachdem wie viele existierende Pipelines und Trassen verwendet werden können oder neu gebaut werden müssen.

Kulturelle Zusammenarbeit ist vielleicht das Beste am Deal

Beim Technologieabkommen zwischen Gazprom und OMV muss man hoffen, dass es zu einem fruchtbaren Austausch von Technologien führt, nicht zur einseitigen Übergabe westlichen Know-hows. Auf die zwischen Gazprom und OMV in St. Petersburg beschlossene kulturellen Zusammenarbeit darf man sich freuen. Das ist vielleicht das Beste der neuen, nach Russland ausgerichteten OMV-Strategie. Ich bin schon gespannt, was da angeboten werden wird.

Die OMV steht an einer Wegscheide. Möge der unter Rainer Seeles Führung eingeschlagene Weg keine Einbahn in eine russische Sackgasse sein! Möge der neue Weg nicht hauptsächlich auf Vorteile der Firmen BASF und Gazprom, sondern in erster Linie auf das Wohlergehen der Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre und Mitbürger der OMV ausgerichtet sein! Möge sich die OMV bald in eine moderne Energiefirma verwandeln mit einem Produkt- und Energiemix aus vielen Quellen, vor allem aber aus erneuerbaren!

Wolfgang Schollnberger (70) hat mehrere Jahrzehnte lang als Manager bei den Konzernen OMV, Shell, Amoco und BP in mehr als 50 Ländern gearbeitet. Der gebürtige Österreicher war auch Vorsitzender der International Association of Oil and Gas Producers (IOGP) in London sowie Honorarprofessor an der Montanuniversität in Leoben. Er lebt in den USA.