Gerhard Roiss tritt als OMV-Chef an. | Strategie wird bis Herbst überarbeitet. | Wien. "Ja, ich bin emotional", sagt er freimütig, als eine deutsche Journalistin ihn um eine Selbstbeschreibung in drei Sätzen bittet, "ich liebe dieses Unternehmen." Nach 20 Jahren an Bord, davon die letzten acht als Vize des nach 30 Jahren in der Firma pensionierten Wolfgang Ruttenstorfer (60), tritt Gerhard Roiss heute, Freitag, einen Tag vor seinem 59. Geburtstag, den Posten als Generaldirektor der OMV an.
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Um sich künftig "voll auf die OMV konzentrieren" zu können, wird sich der passionierte Marathonläufer Roiss von Aufsichtsratsposten zurückziehen, etwa bei der börsenotierten Österreichischen Post AG. Ja, er sei "der erste Generaldirektor der OMV ohne Parteibuch", das werde auch so bleiben.
Er sieht sich aber auch und vor allem als "Strategen und Architekten". Bei seiner Antrittsspressekonferenz kündigte er daher am Donnerstag auch gleich eine Strategieüberprüfung des Energiekonzerns an: "OMV ist in den letzten zehn Jahren sehr erfolgreich gewachsen - die Zahlen sprechen für sich." Nun gelte es, die drei Kernmärkte des Unternehmens - Österreich mit Zentraleuropa, Rumänien und die Türkei - zu festigen und "die Synergien im Sinne eines integrierten Energieunternehmens zu steigern".
Erdgas wird wichtiger
Im Chefsessel des größten österreichischen Unternehmens möchte Roiss vor allem beim Gewicht der Divisionen die Weichen neu stellen: Exploration und Produktion (E&P) soll zulasten von Refining und Marketing (R&M) forciert werden, zudem sollen Gas und Strom einen immer höheren Stellenwert erhalten, auch Gas- und Stromhandel.
Präsentieren will Roiss die neue Strategie im September, davor werde die OMV noch nach den letzten Großakquisitionen in der Türkei, Tunesien und Pakistan die Eigenkapitalbasis wieder stärken, höchst- wahrscheinlich durch eine Kapitalerhöhung.
Investitionsschwerpunkte sind weiterhin die Region entlang der Donau bis zum Schwarzen Meer sowie die Türkei "samt Umgebung", wie Aserbaidschan und die Kurden-Region im Nord-Irak; ferner weiterhin Nordafrika sowie der Nahe und Mittlere Osten. Regional ziehe man die Grenzen aber etwas enger: "Gas in Aserbaidschan ist uns wichtiger als Gas in Neuseeland."
Öl und Gas würden weiter das Kerngeschäft bilden - "auch 2020 wird Europa in seiner Energieversorgung noch zu weit mehr als 50 Prozent von den fossilen Energieträgern abhängen" -, die Bedeutung von Erdgas werde jedoch stark zunehmen. Europa drohe durch sinkende Eigenförderung und wachsenden Bedarf eine Gas-Lücke, die durch die aktuell diskutierten AKW-Stilllegungen noch größer werde. Dem "Jahrhundertprojekt" Nabucco komme daher eine noch wichtigere Rolle zu als vor Fukushima, auch wenn noch "ein Bündel von Entscheidungen" ausstehe.
Die aktuelle Situation in Libyen, wo die OMV zuletzt gut ein Zehntel ihres Öls gefördert hat, bezeichnete Roiss als "sehr tragisch und bedauerlich". Man gehe aber davon aus, dass sich die Lage in den nächsten Monaten beruhige. Als Ersatz für fehlendes Libyen-Öl habe man zuletzt saudisches Öl zugekauft. Zusätzliche Mengen könnten auch aus Kasachstan kommen.
Den Ölpreis sieht die OMV im laufende Jahr laut Roiss in einem Band von 100 bis 120 Dollar: "Für einen weiteren Anstieg Richtung 200 Dollar oder einen Rückgang auf 70 Dollar fehlen derzeit die Argumente."
Aus der Insider-Causa zieht der OMV-Konzern Lehren. Künftig dürfen die rund 300 Mitarbeiter im Vertraulichkeitsbereich nur noch viermal jährlich nach der Veröffentlichung der Quartalsberichte in Zeitfenstern von je 30 Tagen OMV-Aktien kaufen oder verkaufen - und das auch nur mit Zustimmung des Compliance Officers, sagte Roiss.
Grundsätzlich halte er es aber für "ganz, ganz wichtig, dass Manager Aktien am eigenen Unternehmen halten". Per 12. November 2010 hat Roiss laut der OMV-Homepage ("Directors Holdings") 174.528 OMV-Aktien gehalten, Ruttenstorfer 45.030 Stück, andere Vorstandsmitglieder zwischen 12.000 und 59.000 Stück.