Corona-Politik erfordert mehr als Erste-Hilfe-Pakete und Konjunktur-Pakete.
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Spätestens beim AUA-Deal stellte sich die Frage, ob denn die in Österreich gepflegten wirtschaftspolitischen Antworten auf die Corona-Krise auch wirklich krisentauglich sind. Den Vergleich liefern Deutschland mit der Lufthansa und die Schweiz mit der Swiss. Im Gegensatz zu den in Österreich für die AUA paktierten 150 Millionen Euro direkten und nicht rückzahlbaren Staatszuschüssen erhalten Lufthansa und Swiss nur Kreditgarantien (wie die zusätzlichen 300 Millionen Euro für die AUA) und Kapitalerhöhungen über Beteiligungen.
Statt Einflussmöglichkeiten über eine Präsenz im Aufsichtsrat erhält Österreich eine auf zehn Jahre abgeschlossene Standortgarantie, deren Wertigkeit nicht überschätzt werden sollte. Der grüne Koalitionspartner erhielt für seine Zustimmung zum AUA-Paket einige symbolpolitische Nebenprodukte, wie höhere Abgaben und Anti-Dumping-Preise für Tickets.
Die erste Lektion, die Österreich mit dem AUA-Deal erfuhr, ist offensichtlich: Für die aktuelle Ausnahmesituation sind die Institutionen der Wirtschaftspolitik - vor allem die Bundesregierung - einfach nicht ausreichend vorbereitet.
Vergeblich erweist sich dafür ein Blättern im Regierungsprogramm. Kurioserweise findet sich dort mehr an Absichtserklärungen für Paragleiten und Ballonfahren als für die Rolle des Flugverkehrs in einer zukunftsfähigen Strategie für das gesamte Spektrum der Mobilität. Ohne eine solche zukunftsweisende Mobilitätsstrategie droht aber jedem AUA-Deal die Gefahr von Stranded Investments, also nicht mehr werthaltigen Investitionen, ausgelöst von einem generellen Rückgang des künftigen Flugverkehrs bis zu Klimaargumenten.
Die zweite Lektion macht aufmerksam, dass die Corona-Krise in vielfacher Hinsicht ganz anders ist als bisherige Krisensituationen, etwa die Finanzkrise von 2008/2009, und deshalb ganz andere wirtschaftspolitische Werkzeuge zu aktivieren wären. Nicht Geschäftsbanken sind mit Liquidität zu versorgen, sondern der reale Sektor der Wirtschaft steht vor einem schweren Nachfrageausfall seiner Produkte. Eine simple Zahl zeigt die Höhe dieser Lücke: Bis 2030 müssten im jährlichen Durchschnitt mehr als 25 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen und Konsum aktiviert werden, um spürbare Entlastungen auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen.
Die dritte Lektion überrascht mit der Forderung, dass sich der öffentliche Sektor für eine Post-Corona-Politik gleichsam neu erfinden muss. Das World Economic Forum verpackt diesen Anspruch als "Great Reset". Ausgangspunkt ist eine Bereitschaft zu mehr Staat, wie sie vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen wäre.
Essenziell ist die Einsicht, dass Corona-Politik mehr als Erste-Hilfe-Pakete und mehr als Konjunktur-Pakete erfordert. Alle wirtschaftspolitischen Corona-Aktivitäten sollten gleichsam mit einem Beipackzettel versehen werden, der Hebelwirkungen für zukunftssichernde Investitionen und Konsum auslöst. Alle drei Lektionen sind so etwas wie ein On-the-Job Training für die Verantwortungsträger der Wirtschaftspolitik. In der Krisenkommunikation der Bundesregierung haben diese Lektionen bisher allerdings kaum Spuren hinterlassen.
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