Seit Juni 2015 dürfen auch österreichische Apotheken rezeptfreie Arzneimittel im Internet verkaufen. Die Auflagen sind streng, ausländische Mitbewerber haben Wettbewerbsvorteile.
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Zahlreiche Mythen ranken sich um den Schneemenschen Yeti. Auch heilende Kräfte werden ihm zugeschrieben. Der Gesundheit zuträglich sind auch die Produkte, die der Tiroler Silvio Schachner über YetiPharm, den Online-Shop der Rupertus Apotheke in Stumm im Zillertal, vertreibt. Im Sortiment hat er neben Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika ein breites Angebot an rezeptfreien Arzneimitteln, die seit Juni 2015 in Österreich von Apotheken auch im Internet verkauft werden dürfen.
"Wir waren damals unter den ersten drei Apotheken, die ins Online-Geschäft eingestiegen sind", sagt Schachner. Die Apotheken-Lizenz hält seine Mutter, er selbst hat Wirtschaft studiert und ist Geschäftsführer. Die Corona-Krise hat dem Online-Geschäft einen kräftigen Umsatzschub beschert: "Im März und April sind die Verkaufszahlen in die Höhe geschossen. Wir haben in dieser Zeit den dreifachen Umsatz gemacht." Arzneimittel seien aber nicht der Schwerpunkt, bestellt werde "kreuz und quer".
Angesichts der steigenden Zahl an Corona-Neuinfektionen und jahreszeitenbedingt vermehrter grippaler Infekte werden wohl auch in den kommenden Monaten viele Menschen den virtuellen Weg in die Apotheke antreten. Das ist gut für Schachner, der sich nun ganz dem E-Commerce verschreiben und auch anderen Apotheken helfen will, in den Internethandel einzusteigen.
Krankenkassengeschäft lohnt sich immer weniger
Bei ihm habe sich dieser Schritt vom ersten Tag an rentiert, sagt der Tiroler. Mit dem Krankenkassengeschäft würden die öffentlichen Apotheken, die bei der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auch als privatwirtschaftliche Unternehmen geführt werden, immer weniger verdienen. Schachner: "Die Krankenkassen-Spanne liegt derzeit bei ungefähr 14 Prozent. Das heißt: Von 100 Euro Umsatz bleiben 14 Euro übrig. Da ist nicht viel Gewinn zu erzielen." Und: "Die Apotheken haben hochbezahlte Mitarbeiter. Ein angestellter Pharmazeut kostet rund 110.000 Euro im Jahr."
Mit dem Versandgeschäft sprudelt eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle. Es sei für eine Apotheke möglich, bis zu einem Drittel des Umsatzes online zu erzielen, "wenn man es gut macht", so Schachner. Viele Apotheker hätten aber nicht die nötige Zeit oder das Know--how.
Von den derzeit rund 1400 heimischen öffentlichen Apotheken haben bisher an die 100 einen Webshop beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) registrieren haben lassen. Den Markt beherrschen ausländische, europäische Anbieter, allen voran die niederländische ShopApotheke. Dass deren Internetadressen auf "at" enden, lässt den Eindruck entstehen, es handle sich um österreichische Apotheken. Klarheit schafft das Impressum bzw. die österreichische Fahne auf dem Sicherheitslogo der Ages Medizinmarktaufsicht.
Schachner hat nicht gegen Konkurrenz, auf einen Preiskampf will er sich jedoch nicht einlassen. "Man braucht nicht Preisdumping betreiben. Den Kunden ist ein gutes Angebot wichtiger", sagt er.
Umsatzeinbruch im stationären Bereich
In Medistore, der Online-Vertriebsschiene der Stern Apotheke in Wien Ottakring, stecken 100 Prozent Österreich, wie die Gesellschafter Rudolf Mather und Christoph Kuhn betonen. Die Stern Apotheke wurde am ersten Tag des Corona-Lockdowns sprichwörtlich gestürmt. Doch der Ansturm dauerte nicht lang. "Ich habe seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie stationär Umsatzrückgänge", so Mather. Diese konnten aber durch das gut laufende Online-Geschäft kompensiert werden. "Dadurch mussten wir keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder freisetzen müssen", sagt Mather. "Darüber hinaus gibt es in der Stern Apotheke nun auch die gleichen Preise wie online, um dem Kundenrückgang entgegenzuwirken."
Wie alle anderen österreichischen Versandapotheken unterliegt auch Medistore strengen Richtlinien. Auch rezeptfreie Arzneimittel können Neben- oder Wechselwirkungen haben, daher müssen die Apotheken laut Fernabsatzverordnung eine kostenlose telefonische Beratung anbieten. Weiters dürfen österreichische Versandapotheken nur in Österreich zugelassene Humanarzneimittel in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge anbieten.
Nach Meinung von Kuhn sind die Vorschriften teilweise zu streng und schaffen für österreichische Apotheken Wettbewerbsnachteile gegenüber der ausländischen Konkurrenz. Er liegt auch diesbezüglich immer wieder im Streit mit der Apothekerkammer, aktuell wegen des Werbeverbots, das in den Standesregeln festgeschrieben ist. Medistore warb im Radio und bekam von der Apothekerkammer 40.000 Euro Strafe auferlegt. Kuhn: "Ich habe dagegen Berufung eingelegt." Im November ist die nächste Verhandlung. "Wir dürfen auch keine ‚Statt‘-Preise’ bei frei verkäuflichen Arzneimittel angeben", kritisiert Mather.
Werbeverbot dient als präventive Maßnahme
Seitens der Apothekerkammer heißt es, die eingeschränkte Werbemöglichkeit für Arzneimittel sei eine präventive Maßnahme. Werbung setze Kaufanreize, die zu übermäßigem oder falschem Konsum verleiten können. Das wiederum könne zu Gesundheitsschäden führen. "Es geht den Apothekerinnen und Apothekern nicht darum, dass die Menschen viele, sondern die richtigen Arzneimittel bekommen", betont man.
In der österreichischen Fernabsatz-Verordnung ist festgeschrieben, dass das Versandlager in der Apotheke sein muss. Das diene der Qualitätssicherung, so die Apothekerkammer. Jede Bestellung von Arzneimitteln müsse durch eine Apothekerin oder einen Apotheker geprüft und begleitet werden. Für ausländische Versandapotheken gelte das nicht, so Mather. "Wir haben insgesamt nur 390 Quadratmeter. Wie sollen wir da mit den Großen mithalten?", fragt er sich. Medistore verschicke täglich an die 500 Pakete, die niederländische ShopApotheke, deren Logistikzentrum eine Fläche von 40.000 m2 umfasst, rund 15.000, also das 30-fache.
Mather schätzt das Marktvolumen von Online-Apotheken in Österreich auf rund 300 Millionen Euro. Davon würden jedoch 96 Prozent auf ausländische Apotheken entfallen, die nach Österreich versenden. Die Apothekerkammer will keine Zahlen zum Online-Markt nennen. Das wäre unseriös, heißt es. Es gebe viele Schätzungen, die sich aber sehr voneinander unterscheiden würden.
Laut Kammer haben die öffentlichen Apotheken im Vorjahr 4,4 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Davon entfielen durchschnittlich rund 67 Prozent auf das Geschäft mit den Krankenkassen, rund 33 Prozent waren Privatumsatz. Fast 95 Prozent der Bevölkerung können die nächste Apotheke innerhalb von 10 Minuten erreichen.