Internet-Boom macht viele Geschäfte zu "verlustbringenden Vitrinen".
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Zwei Drittel der Österreicher kaufen online, im Versandhandel oder über Teleshopping ein. Die Ausgaben im Distanzhandel stiegen innerhalb eines Jahres um zehn Prozent auf 6,4 Milliarden Euro, hat die KMU Forschung Austria erhoben. Am stärksten legt der Internethandel zu: Die Online-Umsätze in Österreich haben sich in den letzten sieben Jahren mehr als verdreifacht. Bis 2019 wird hierzulande ein Viertel des Einzelhandelsumsatzes auf das Internet entfallen, prognostiziert Standortberater Regioplan. Derzeit sind es neun Prozent.
Der zunehmende Online-Einkauf hinterlässt deutliche Spuren im stationären Handel: "Die exorbitanten Mieten in Top-Einkaufszentren und guten Lagen sind kaum mehr vor Ort zu erwirtschaften. Ohne Onlineshop wird es in Zukunft nicht mehr gehen", sagt Handelsverband-Vizepräsidentin Angela Schünemann, Geschäftsführerin des Weltbild-Verlages. Besonders betroffen ist der Buchhandel, wo 28 Prozent des Umsatzes im Internet lukriert werden. "Die Hälfte der Buchhandels-Fläche wird verschwinden", so Schünemann. Auch Elektro-Artikel werden immer häufiger online bestellt - ein Grund für das Aus des "Elektronik-Nahversorgers" Niedermeyer.
Österreichische Händler sind zu wenig im Web präsent
Kunden möchten ein Produkt vor dem Kauf sehen oder angreifen - bestellt wird aber oft via PC oder Smartphone im Internet. Das "reduziert viele Einzelhandelsgeschäfte zu verlustbringenden Vitrinen", sagt Walter Freese vom Marktforscher TNS Infratest.
Zwar rechnet Regioplan-Geschäftsführerin Hanna Bomba-Wilhelmi nicht damit, dass der stationäre Handel verschwinden wird. Denn gut inszenierte Geschäfte verführen zu Spontankäufen, und braucht man Produkte sofort, sind diese nur im Laden erhältlich. Funktion und Aussehen der Geschäfte verändern sich, das Einkaufserlebnis rückt in den Mittelpunkt: Vor Ort wird Kunden ein Produktsortiment präsentiert und Beratung angeboten. "Geschäfte werden verstärkt ein Ort der Kommunikation und der Inspiration werden", so Bomba-Wilhelmi. Daher eröffnen reine Internethändler wie Zalando ihre ersten stationären Läden.
Mit dem Kauf im Internet wandert viel Umsatz über die Landesgrenze: Die Hälfte der Distanzhändler stammt aus dem Ausland. Die österreichischen Betriebe seien im Web noch zu wenig präsent, sagt Wirtschaftskammer-Handelsobfrau Bettina Lorentschitsch. Nicht einmal die Hälfte der heimischen Händler hat eine eigene Website. Zudem habe der österreichische Handel zu große Flächen. Probleme bereiten auch die Konkurrenz durch reine Online-Anbieter sowie Standortnachteile durch hohe Lohnnebenkosten.
Macht Amazon bald auch Rewe und Spar Konkurrenz?
Kaum online bestellt werden hingegen Lebensmittel: Der Umsatzanteil bewegt sich derzeit zwischen ein und zwei Prozent. Der Chef der KMU Forschung, Peter Voithofer, erwartet, dass Onlineshops "mittel- bis langfristig" interessant für Lebensmittelhändler werden. Größte Hindernisse sind derzeit die Logistik und die Kühlung frischer Produkte wie Milch. Billa stellt beispielsweise nur in Wien zu, Kochabo liefert in ganz Österreich Zutaten zum Selberkochen und Rezepte. Zum Angriff bläst offenbar Amazon: Der US-Onlinehändler will groß in den Verkauf von Lebensmitteln einsteigen. Bisher wird allerdings nur in Teilen der USA geliefert.