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Bewertungsplattformen wie Kununu zeigen Unternehmen mitunter in einem zu günstigen Licht.
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Wien. Kununu, 2007 in Wien gegründet und seit 2013 ein Tochterunternehmen von Xing, ist mit rund 1,5 Millionen Bewertungen zu 300.000 Unternehmen die größte Arbeitgeber-Bewertungsplattform in Europa. Ehemalige und aktuelle Mitarbeiter können hier Erfahrungen und Bewertungen ihrer Arbeitgeber posten, die von den Unternehmen mit eigenen Firmeninformationen ergänzt werden. Im Idealfall entsteht so ein realitätsnahes Bild vom Innenleben eines Unternehmens, etwa zu Mitarbeiterzufriedenheit oder Führungsstil.
Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom informieren sich bereits drei von zehn Internetnutzern auf Kununu, meinChef oder Jobvoting. Mehr als drei Viertel der wechselwilligen Interessenten wurden durch die Berichte und Ratings in ihrer Arbeitgeberwahl beeinflusst. Kununu & Co sind somit für Firmen ein wichtiges Mittel zur Rekrutierung und Imagepflege, und auf Kununu haben Arbeitgeber bequemerweise auch das letzte Wort: Sie können Bewertungen mit Kommentaren versehen, auf die keine weitere Reaktion mehr zulässig ist. Durch ein kostenpflichtiges "Employer-branding-Profil" entsteht eine finanzielle Abhängigkeit der Plattform von jenen Firmen, die auf ebendieser Plattform bewertet werden sollen - positiv oder negativ.
Aus negativemFeedback lernen
Gerade negative Beurteilungen sind sowohl für Nutzer wie für Firmen brisant: Denn wenn geplagte Mitarbeiter oder frustrierte Ex-Mitarbeiter ihrem Ärger über schlechte Behandlung, mangelnde Ressourcen, Überforderung oder kritikresistente Führungskräfte auf diese Weise Luft machen, lässt das auf ein Versagen firmeninterner Korrekturmechanismen schließen. Firmen sollten hier rasch reagieren. Idealerweise könnten sie dieses Feedback als Lern- und Entwicklungschance aufgreifen, wie es etwa die Personalchefin der Bosch-Gruppe Österreich, Johanna Hummelbrunner, formuliert: "Wir nehmen jede Bewertung sehr ernst. Wir freuen uns über positives Feedback und sind traurig über negatives. Jede negative Beurteilung zeigt uns jedoch, was wir noch besser machen können." In der Praxis herrscht manchmal jedoch ein weit weniger konstruktiver Umgang mit kritischen Bewertungen vor. Negative Bewertungen stören das schön(geredet)e Selbstbild. Ein paar kritische Stimmen kann man ja noch als Nörgelei abtun. Wird aber die Anzahl der negativen Rückmeldungen zu groß, wird versucht, die Kritiker zum Schweigen zu bringen.
Dazu wird zunächst die Authentizität der Verfasser angezweifelt: Schließlich könnte es sich ja um Auftragsschreiber aus dem Umfeld eines unmittelbaren Konkurrenten handeln. Wenn der Verfasser einer Bewertung gegenüber Kununu seine Authentizität nachweisen kann (zum Beispiel durch eine Kopie des Dienstvertrages), kann der Arbeitgeber kritische und aus seiner Sicht unzutreffende Bewertungen mit rechtlichen Mitteln bekämpfen, um deren Entfernung von der Internet-plattform zu erreichen. Die verfassungsrechtlich verankerte Freiheit der Meinungsäußerung gestattet grundsätzlich jedem, rechtlich unbekümmert seine Meinung über ein Unternehmen kundzutun. Weil neben Werturteilen auch Tatsachenmitteilungen grundrechtlich geschützt sind, ist es für den bewerteten Arbeitgeber nicht so einfach, eine Bewertung entfernen zu lassen, nur weil sie nicht mit seinem Selbstbild übereinstimmt - zumindest theoretisch.
Denn um eine schlechte Bewertung bei Kununu entfernen zu lassen, müsste ein Unternehmenden Rechtsweg beschreiten und nachweisen, dass entweder üble Nachrede, die Behauptung falscher Tatsachen oder Ehrenbeleidigung vorliegt bzw. Informationen gepostet wurden, an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat. Die Praxis zeigt allerdings, dass Kununu bei Beanstandungen eines Arbeitgebers relativ rasch das betreffende Posting entfernt und umgekehrt den Verfasser auffordert, den Nachweis über dessen Wahrheitsgehalt zu erbringen. Das ist aber oft nur schwer oder gar nicht möglich. Ein autoritärer Führungsstil und eine misstrauensbasierte Kontrollkultur beispielsweise ließen sich am besten durch Ergebnisse der letzten Mitarbeiterbefragung belegen. Allerdings werden diese aus guten Gründen weitestgehend unter Verschluss gehalten. Da der Verfasser somit keinen Wahrheitsbeweis seiner Aussagen vorlegen kann (und aus Gründen der Vertraulichkeit auch gar nicht dürfte), bleibt das Posting offline.
Jubelberichtesind nicht auszuschließen
Und wie steht es um die positiven Bewertungen? Um Jubel-Berichte, die verdächtig knapp nach den negativen auftauchen und einander auffallend ähneln? Kununu-Vertreter räumen offen ein, sie könnten nicht ausschließen, dass Unternehmen sich auch selbst bewerten. Hinweise darauf werden aber nicht weiterverfolgt, und damit kann sich die Plattform dem Vorwurf nicht entziehen, aus geschäftlichen Interessen im Zweifel eher arbeitgeberfreundlich zu agieren. Damit kann es zu einer stark verzerrten Darstellung der tatsächlichen Situation im Unternehmen auf Kununu kommen. Zum Nachteil der Nutzer.