Die kleine Julia hat große Fragen: Was ist Gerechtigkeit? Und: Wird es mit dem neuen Gesetz zur Mindestsicherung künftig weniger Arme geben?
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Julia: Opa, was ist das, die Mindestsicherung?
Opa: Weißt du, es gibt Leute, denen geht es nicht so gut wie uns. Die haben nicht genug Geld, um sich eine warme Wohnung zu leisten. Oder Essen und Kleidung für sich und ihre Kinder einzukaufen. Deshalb gibt der Staat diesen Menschen Geld.
Julia: Wer ist denn das, der Staat?
Opa: Das sind wir alle. Der Staat hebt Geld von Staatsbürgern wie mir ein. Dieses Geld heißt "Steuern". Damit werden zum Beispiel Krankenhäuser und Schulen gebaut, die Ärzte und Lehrer bezahlt. Und auch die armen Menschen bekommen etwas von diesem Geld. Dieses System der gegenseitigen Unterstützung nennt man "Solidarität".
Julia: Warum heißt es dann "Mindestsicherung" und nicht "Solidaritätsbeitrag"?
Opa: Weil man mindestens einen bestimmten Geldbetrag braucht, um zu überleben.
Julia: Und wie viel Geld ist das?
Opa: Höchstens 863 Euro. Das ist gerade in einem neuen Gesetz festgelegt worden.
Julia: Aber Opa, gerade hast du gesagt, es heißt "Mindestsicherung". Und jetzt sprichst du von einem Höchstbetrag?
Opa: Das sage ja nicht ich. Sondern so steht es im neuen Gesetz. Früher war das wirklich ein Mindestbeitrag. Unsere neun Bundesländer konnten auch mehr bezahlen. Jetzt gilt für die ganz Armen eine Höchstgrenze. Ich meine ja eigentlich, dass es für alle, die ganz, ganz viel verdienen, eine Höchstgrenze geben sollte. Und nicht für die Ärmsten. Aber das führt jetzt zu weit, mein Schatz.
Julia: Bekommen jetzt alle armen Menschen in Österreich gleich viel Geld?
Opa: Das war zumindest geplant. Aber im neuen Gesetz steht: Jedes Bundesland kann auch mehr zahlen. Also wird es keine einheitliche Regelung für ganz Österreich geben.
Julia: Was ist eigentlich ein Gesetz? Und warum braucht es ein neues Gesetz für die Mindestsicherung?
Opa: Ein Gesetz ist eine Regel, die vom Parlament beschlossen wird, und an die wir uns alle halten müssen. Mit dem neuen Gesetz wollte man sicherstellen, dass die Regeln für die Mindestsicherung in ganz Österreich gleich sind. Gerechter und kostengünstiger als das alte Gesetz sollte es auch sein.
Julia: Was ist denn Gerechtigkeit, Opa?
Opa: Du stellst heute wirklich schwierige Fragen. Aber das ist eine wichtige Frage, viele gescheite Leute haben sich schon bemüht, sie zu beantworten. Ich versuche es einmal so: Gerecht ist eine Maßnahme dann, wenn sie auch den Ärmsten und Schwächsten einer Gesellschaft Vorteile bringt.
Julia: Und ist die neue Mindestsicherung gerecht?
Opa: Leider nicht durchgehend. Denn Familien mit mehreren Kindern bekommen jetzt weniger Geld als früher. Es ist fraglich, ob sie damit das Auslangen finden. Und Menschen auf der Flucht, die bei uns nur vorübergehend bleiben dürfen, bekommen gar keine Mindestsicherung. Flüchtlinge, die noch nicht Deutsch sprechen, müssen sogar mit nur 563 Euro auskommen.
Julia: Und ist diese Mindestsicherung jetzt billiger als die alte?
Opa: Das wird sich nicht ausgehen. Im Gesetz selbst stehen schon Berechnungen, die zeigen, dass es auf Zeit gesehen mehrere Millionen Euro mehr kosten wird.
Julia: Aber wird wenigstens das Leben für alle, die diese Mindestsicherung brauchen, erträglicher? Wird es mit dem neuen Gesetz weniger arme Menschen geben?
Opa: Ich habe dir ja schon erzählt, dass sich Österreich verpflichtet hat, die Anzahl der Menschen, die von Armut bedroht sind, in den nächsten zehn Jahren um die Hälfte zu verringern. Allerdings sehe ich nicht, wie dieses neue Gesetz einen Beitrag dazu leisten kann.
Julia: Was kann man sich denn um 863 Euro kaufen?
Opa: Unsere Wohnung hat 100 Quadratmeter, und wir bezahlen dafür 1.200 Euro Miete. Wenn Oma und ich am Sonntag mit deinen Eltern, dir und deinen beiden Geschwistern in ein Restaurant essen gehen, dann zahlen wir ungefähr 180 Euro dafür. Deine gesamte Schiausrüstung und der Schikurs haben mehr als 863 Euro gekostet. Was sich arme Menschen sicher nicht leisten können ist, auf Urlaub zu fahren. Oder öfter Freunde nach Hause einzuladen, so wie du das gerne machst.
Julia: Opa, du klingst irgendwie unzufrieden.
Opa: Das hast du ganz gut erkannt. Ich hätte mir gewünscht, dass wir als eines der reichsten Länder der Welt großzügiger mit unseren Ärmsten umgehen. Vor allem mit den Kindern aus armen Familien, die mehr Unterstützung für ihren Weg in die Zukunft brauchen. Und ich bin auch nicht begeistert davon, dass wir so stark zwischen Österreicherinnen und Flüchtlingen unterscheiden.