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"Opel zieht den schwarzen Peter"

Von Daniel Bischof

Wirtschaft

Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer über die mögliche Fusion von PSA und Fiat Chrysler und die Zukunft der Branche.


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Es wäre ein Zusammenschluss, der die Karten in der Autobranche neu mischt: Die beiden Autokonzerne PSA und Fiat Chrysler (FCA) verhandeln derzeit über eine Fusion, wie beide Konzerne am Mittwoch bestätigten.

Der französische Konzern PSA führt die Marken Peugeot, Citroen, Opel und Vauxhall, zu Fiat Chrysler gehören Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Lancia und Maserati. Gemeinsam würden sie, zieht man die Zahl der 2018 verkauften Fahrzeuge heran, den viertgrößten Autokonzern der Welt bilden. FCA will dem Vernehmen nach seinen Aktionären ein Zusammengehen mit einer Sonderdividende über 5,5 Milliarden Euro schmackhaft machen. Laut einem "Insider" könnte bereits am Donnerstag eine offizielle Vereinbarung zur Fusion präsentiert werden. Die "Wiener Zeitung" sprach mit dem Automobilexperten Ferdinand Dudenhöffer über die mögliche Fusion und die Zukunft des Autohandels.

"Wiener Zeitung": Herr Dudenhöffer, warum wollen PSA und Fiat Chrysler fusionieren?

Ferdinand Dudenhöffer: Fiat Chrysler braucht dringend einen Partner: Sie haben alte Autos, keine E-Autos. Der Konzern würde also an den EU-Strafzahlungen zugrunde gehen (bis 2030 müssen die Autobauer den CO2-Ausstoß ihrer Neuwagenflotte um 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 senken, ansonsten drohen Strafen, Anm.). Daher wollen sie sich mit PSA zusammenschließen, die bei der E-Mobilität technisch weiter sind. Fiat Chrysler würde sich durch die Fusion stabilisieren.

Und was hätte PSA davon?

Die Franzosen wollen wachsen, sie waren bisher nur in Europa stark. Durch Fiat Chrysler, die am US-Markt gut vertreten sind, würden sie Zugang zu den USA erhalten.

Bisher werden nur Gespräche geführt, wie wahrscheinlich ist die Fusion?

Ich gehe davon aus, dass es den Deal gibt. Beide wollen den Deal, beide brauchen den Deal.

Welche Auswirkungen könnte die Fusion auf Österreich haben?

Fiat Chrysler hat bereits jede Menge Motorenwerke und Überkapazitäten. Bei einer Fusion würde sich das verschärfen, denn Opel besitzt ebenfalls Motorenwerke, wie etwa jenes in Wien-Aspern. PSA-Chef Carlos Tavares ist bisher einen scharfen Sanierungskurs gefahren und hat Personal abgebaut. Kommt es zur Fusion, müsste wieder restrukturiert werden: Opel wird meiner Einschätzung nach hier den schwarzen Peter ziehen.

Nicht nur Restrukturierungen, auch die E-Mobilität stellt die Autobranche vor Herausforderungen. Wie sollten die österreichischen Zulieferer darauf reagieren?

Sie müssen für Neues offen sein. Ein zentrales Thema ist die Leistungsfähigkeit der E-Auto-Batterien: Hier können die Zulieferer noch viel herausholen, wenn sie mit der Elektrochemie zusammenarbeiten, um das Material zu verbessern. Der chinesische E-Batterie-Hersteller Catl sucht etwa in Deutschland die Kooperation mit Zulieferern.

Bisher waren Elektroautos aber teilweise noch Ladenhüter, wie etwa der VW e-Golf. Durch diverse Preisnachlässe ist er nun in manchen Fällen schon billiger als ein Benziner zu haben . . .

Der VW e-Golf ist ein Auslaufmodell. VW hat mit der Produktion seines neuen, verbesserten Elektromodells ID.3 angefangen, der Anfang 2020 zu den Händlern gelangt. Daher räumt man nun mit diesem Ausverkauf die Lager für die neue Generation leer. Der VW e-Golf hat den Autobauern aber gezeigt, dass sie bei den Elektroautos sehr auf den Preis achten müssen.

Sind Elektroautos einfach noch zu teuer für das, was sie bieten?

Elektroautos sind ein bisschen billiger geworden, aber sie sind noch teuer. Und das wird vorerst so bleiben, denn die Batterien werden noch eine Zeit lang hohe Kosten verursachen. Das stellt die Autobauer vor eine schwierige Aufgabe: Denn sie müssen ja E-Autos verkaufen, damit sie ihre CO2-Quoten erfüllen. Der VW-Konzern muss etwa jährlich 350.000 bis 400.000 reine E-Autos in Europa verkaufen, damit er nicht in Strafzahlungen hineinwächst.

Wie löst man dieses Dilemma?

Opel hat in seine Standard-Modelle statt einem Verbrennungs- einfach einen Elektromotor eingesetzt. Das ist nicht das Gelbe vom Ei. Hier muss mehr geboten werden, das Auto muss mehr Eigenschaften haben als nur ein Altmodell mit neuem Antrieb. VW hat ursprünglich auch so angefangen, macht hier aber bereits große Fortschritte und geht Richtung Tesla. Denn Tesla hat gezeigt, wie es funktionieren kann.

Nämlich?

Tesla-Fahrzeuge sind wie der Übergang vom Tastenhandy zum Smartphone. Sie wecken Emotionen. Diese Emotionen sind gerade in der heutigen Zeit wichtig, denn Autos sind nicht mehr die Statussymbole, wie sie das noch vor dreißig Jahren waren. Es ist gleich ein Bündel an neuen, zusätzlichen Produkten hinzugekommen, mit denen das Auto konkurriert, wie etwa das Smartphone, Fernreisen, Kreuzfahrten.

Wie wichtig ist heute noch die Automarke?

Es ist schon lange nicht mehr nicht so, dass man jahrzehntelang nur Mercedes fährt und damit auch zum Friedhof gebracht wird. Die Kunden sind nun eher bereit, etwas Neues zu probieren. Trotzdem sind Marken weiterhin wichtig.

Was halten Sie von den Zuschüssen, den Staaten wie Österreich und Deutschland beim Kauf von Elektroautos gewähren? Fördern sie die E-Mobilität?

Zuschüsse sind für Politiker bequem: Sie können das bestehende System weiterlaufen lassen, ecken nicht an und geben halt ein Zuckerl dazu. Dadurch wirken sie als Wohltäter, obwohl die Allgemeinheit, der Steuerzahler, das bezahlt. Meiner Meinung nach wäre es aber das bessere Signal, die Autofahrer, also die Verursacher der CO2-Emmissionen, durch höhere Benzinpreise zu bestrafen.

Trifft eine solche CO2-Steuer nicht gerade die Geringverdiener und Mittelklasse?

Dagegen kann man ja Maßnahmen ergreifen, etwa mit einem Steuerbonus für die Betroffenen. Dennoch würde dadurch generell klargestellt werden: Die Mobilität, die die Umwelt schädigt, kostet, der Umstieg auf E-Autos lohnt sich. Außerdem regt das vielleicht an, den einen oder anderen Kilometer nicht mit dem Auto, sondern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß zu machen.

Neben den Elektroautos rücken auch Wasserstoffautos in den Fokus . . .

Bei den Pkw werden Wasserstoffautos in den nächsten fünfzehn oder zwanzig Jahren keine Rolle spielen. Die Kosten sind bisher viel zu hoch, Modelle kosten teilweise mehr als 80.000 Euro, das ist einfach unverkäuflich. Außerdem braucht es dafür ein flächendeckendes Tanknetz. Eine Ladestation für ein Wasserstoffauto kostet eine Million Euro. Warum sollten die Mineralölkonzerne sich so etwas leisten, wenn es keine Autos dafür gibt? Bei den LKWs sehe ich mehr Chancen.

Warum?

Die LKWs sind teurer und wenn ich ein Fahrzeug habe, das 300.000 Euro kostet, spielen die 10.000 oder 20.000 Euro mehr für den Antrieb auch keine Rolle mehr. Zudem kann man hier eine überschaubare Tank-Infrastruktur aufbauen. Gleiches gilt für die städtischen Busbetriebe.

Wie steht es um die Energieeffizienz der Wasserstoffautos?

Das ist der nächste Knackpunkt: Sie sind nicht so energieeffizient, wie man meint. Bei den diversen Transformationsprozessen gehen bei den Wasserstoffautos mehr als 50 Prozent der Energie verloren. Bei der Elektroauto-Batterie gibt es diesen Verlust nicht.

Andererseits wird kritisiert, dass der Elektroantrieb nicht so nachhaltig ist, wie gerne vorgegeben wird. Für die Batterie müssen seltene Erden gewonnen werden. Deren Abbau soll unter menschenrechtlich und umwelttechnisch fragwürdigen Umständen geschehen. . .

Ich glaube, dass die deutschen Autobauer hier sehr genau auf die Arbeitsbedingungen und Umweltverträglichkeit in den Herkunftsländern schauen. Sie verwenden nur zertifiziertes, CO2-neutrales Material. Die Unternehmen wissen, dass sie ihrem Image sehr schaden, wenn sie hier nicht aufpassen.

In Deutschland sind die SUVs das neue Feindbild. Zu Recht?

Es gibt Umweltschützer, die übertreiben und alles verdammen, was Richtung Mobilität geht. Und weil SUVs grundsätzlich größer sind als normale Autos, hat man sich an denen aufgehängt. Doch es gibt nicht den SUV, es gibt größere, mittlere und kleinere SUVS. Die Kleinen haben im Vergleich zu normalen Limousinen einen überschaubaren Mehrverbrauch.

Und was ist mit den Großen?

Sie sind für die Umwelt problematisch. Die großen SUVs machen aber nur fünf Prozent aller SUVs aus: Wenn man ehrlich ist, geht von ihnen daher auch nicht der große Klimaeffekt aus. Allerdings werden bei manchen von diesen Monsterdingen auch Akzeptanzgrenzen überschritten. Die Autobauer sollten von sich aus überlegen, ob sie solche Fahrzeuge produzieren und dadurch Feindbilder schaffen. Denn auch wenn man ein paar Euro mit ihnen verdienen kann: Sie können nicht nur die Umwelt, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Autobauers schädigen.

Wenn Sie in die Zukunft blicken: Welche Autos werden wir künftig fahren?

Es wird ein teilautomatisiertes Elektroauto sein. Wegen der hohen Kosten und Regulierungen werden sich vollautomatisierte Autos in den nächsten Jahren noch nicht durchsetzen. Ich glaube, dass auch die Praktikabilität und der Komfort immer wichtiger werden, die Autos werden nicht mehr so fahrerzentriert sein.

Die Tesla-Fahrer sind ja außerordentlich stolz, dass ihr Fahrzeug auf der Autobahn mit einem Autopiloten unterwegs ist. Und auch die Porsches dieser Welt werden Stück für Stück mit neuen Assistenzsystemen ausgestattet.