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Seit einigen Jahren propagiert die internationale "Open-Access"-Bewegung den freien, kostenlosen Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln - abseits kostenpflichtiger Wissenschafts-Journale.
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Einer der führenden Verfechter dieser Idee, der britische Kognitionswissenschafter Stevan Harnard, warb bei einer Konferenz in Wien dafür, dass Forscher bzw. deren Institutionen selbst Arbeiten archivieren und online der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.
Von einem solchen "self-archiving" würden weltweit nicht nur all jene profitieren, die sich den oft teuren Zugang zu Zeitschriften nicht leisten können, sondern auch die Wissenschafter. Denn Open-Access-Artikel würden deutlich häufiger zitiert als jene, die in Zeitschriften veröffentlicht werden, meint Harnard. In einer Studie seien die Zitierraten von Artikeln, die von den Forschern selbst online gestellt wurden, zwischen 50 und 300 Prozent höher als vergleichbare Arbeiten, die ausschließlich in Zeitschriften erschienen waren. "Das ist astronomisch, wenn man bedenkt, dass die meisten Artikel, rund 55 Prozent, überhaupt nicht zitiert werden", so Harnard.
Der Wissenschafter von der University of Southhampton (Großbritannien) hat auf Einladung des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Akademie der Wissenschaften einen Vortrag zur diesjährigen "Chaos-Control-Konferenz" gehalten, die sich den freien Zugang zu Informationen auf die Fahnen geschrieben hat. Dieser freie Zugang sei zumindest bei den wissenschaftlichen Zeitschriften nicht gegeben, moniert die "Open-Access"-Bewegung. Laut Harnard werden in rund 24.000 Fachblättern jährlich etwa 2,5 Mill. Artikel publiziert - doch die zum Teil horrenden Preise für den Bezug dieser Zeitschriften können sich immer weniger Wissenschafter bzw. Forschungseinrichtungen leisten. Damit bleibe viel Wissen verborgen.
Nur 15 Prozent der insgesamt 2,5 Mill. Artikel werde von den Wissenschaftern selbst archiviert und öffentlich ins Netz gestellt - und das, obwohl 92 Prozent der Zeitschriften nichts gegen dieses "self-archiving" haben, wie Harnard betonte. Dabei sollte jeder publizierte Artikel "kostenlos, sofort, dauerhaft und im Volltext online jedermann im Internet zur Verfügung gestellt werden", formulierte Harnard das Ziel der "Open Access"-Bewegung.
Harnard glaubt auch den Grund zu kennen, warum Wissenschafter ihre Artikel nicht in dieser Form veröffentlichen, obwohl ein Großteil der Journale nichts dagegen hätte: "Wissenschafter sind Mönche. Ohne die Regel 'publish or perish' (publiziere oder gehe unter) im Wissenschaftsbetrieb würden Forscher überhaupt nicht publizieren. Sie arbeiten an einem Problem und wenn sie die Lösung haben, verschwinden die Unterlagen im Schreibtisch und sie wenden sich der nächsten Fragestellung zu". Um dieses Wissen zugänglich zu machen, plädiert Harnard für einen Zwang zum "self-archiving", beispielsweise durch Förderinstitutionen.
Harnard ist überzeugt, dass "Open Access" zu keinem Qualitätsverlust führt. Es gehe nicht darum, etablierte Bewertungsverfahren für wissenschaftliche Arbeiten, etwa die Begutachtung durch externe, unabhängige Experten ("peer-review"), abzuschaffen oder zu umgehen. Wissenschafts-Journale mit ihren Kontrollmechanismen und "Open Access" könnten durchaus nebeneinander existieren, glaubt Harnard.