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Operation "Haut den Donald"

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Das Establishment der Republikanerschlägt zurück: Kampfabstimmung oder Liebesentzug?


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Washington. Zumindest einen Kandidaten gibt es, der sich so richtig auf den Sommer freut. "Wirklich cool" fände es John Kasich, wenn es beim von 18. bis 21. Juli angesetzten Parteitag der Republikaner in Cleveland zu einer oder gar mehreren Kampfabstimmungen käme. Davon abgesehen, dass sich der Gouverneur von Ohio in diesem Fall eine echte Chance auf seine Kür zum Präsidentschaftskandidaten ausrechnet, wäre es ein "Riesenspaß" mit quasi pädagogischen Zügen: "Die Kids werden sich weniger darum kümmern, was Justin Bieber und Kim Kardashian treiben, sondern sich stattdessen darauf konzentrieren, wie wir unseren Präsidenten wählen", träumte Kasich am Wochenende. Angesichts seines Rückstands scheint Kasichs Führungsanspruch auch beim besten Willen etwas weit hergeholt.

Wisconsin wählt

Der 63-jährige Berufspolitiker hält vor den am Dienstag stattfindenden Vorwahlen im Bundesstaat Wisconsin bei überschaubaren 143 Delegiertenstimmen. Zum Vergleich: Mit Stand heute führt Donald Trump mit 735, sein erster Verfolger Ted Cruz zählt 461. Bei den Republikanern lautet die magische Zahl, die einem Kandidaten die Nominierung garantiert, 1237. Wird sie bis zum letzten Vorwahltermin am 7. Juni nicht erreicht, würde das automatisch eine Kampfabstimmung in Cleveland bedeuten. Nachdem es unrealistisch ist, dass Trump bis dahin aus der Führung verdrängt wird, setzen seine Gegner jetzt auf die Variante Kampfabstimmung. Koste es, was es wolle. Denn Trump droht durch seine permanenten verbalen Rundumschläge gegen alles, was nicht weiß, männlich und heterosexuell ist, mittlerweile sogar die Mehrheiten seiner Partei in beiden Kammern des Kongresses zu gefährden. Die Konservativen halten sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat die Mehrheit.

Die These der Partei-Nomenklatura, dass ein Präsidentschaftskandidat Trump nicht nur sich selbst, sondern alles mit sich in den Abgrund reißen würde, findet langsam aber sicher ihren Ausdruck. Die Wahl der Waffen: von landesweiter, Trump-feindlicher Werbung über Manipulation des Abstimmungsverhaltens der Parteitags-Delegierten bis zu Diskussionen, wie man sich die Gewaltbereitschaft vereinzelter Trump-Anhänger für eigene Zwecke zunutze machen kann.

Das Geld hält dagegen

Die Werbung bildet den mit Abstand offensichtlichsten Teil des Abwehrkampfs. Nachdem Trump kein strammer Konservativer ist und keinerlei Rückhalt bei den größten Geldgebern der Partei hat, haben sich diese angesichts der drohenden Gefahr bereiterklärt, für das republikanische Establishment in die Bresche zu springen. In zweierlei Hinsicht: erstens, indem sie ihre Taschen weiter für Cruz und Kasich öffnen, als sie das ursprünglich geplant hatten. Zweitens mit dem Bekenntnis, Trump im Regen stehen zu lassen, sollte der tatsächlich die Nominierung gewinnen. Die Überlegung dahinter: Der Attraktivität von Trump besteht auch darin, dass er behauptet, seine Kampagne nahezu zu hundert Prozent selbst zu finanzieren. Was zum größten Teil stimmt. Nachdem ein nationaler Wahlkampf aber um ein vielfaches kostet als der teuerste Vorwahlkampf und niemand glaubt, dass der Ex-Reality-TV-Star die erforderlichen Riesensummen stemmen will - wie reich Trump wirklich ist, gilt als umstritten; er selbst behauptet, er sei zehn Milliarden Dollar schwer, andere Quellen meinen "nur" 250 Millionen Dollar -, würde eine Abkehr der traditionellen Geldgeber der Republikaner von deren Präsidentschaftskandidaten de facto ein Todesurteil darstellen.

Zum Vergleich: Der Wahlkampf zwischen Amtsinhaber Barack Obama und Mitt Romney 2012 verschlang 2,6 Milliarden Dollar. Die Kosten für den Vorwahlkampf nicht miteingerechnet. Die Schätzungen für den Preis der aktuellen Schlacht um den Einzug ins Weiße Haus reichen bis zu sechs Milliarden Dollar.

Für die Abarbeitung des zweiten Maßnahmenkatalogs, Trump im Falle des Falles im Regen stehen zu lassen, braucht es weniger Geld als eine definitive Antwort auf die Frage, wie ernst es den Parteichefs damit wirklich ist. Theoretisch wäre es kein Problem, den Spitzenreiter kurzerhand abzusägen. Partei-Insider wie Politikexperten fassen diese Möglichkeit unter dem Begriff "Nuclear Option" zusammen. Eine Wortwahl, die für sich selbst spricht. Möglich macht’s ein Komitee, dem gewöhnlich kaum Aufmerksamkeit zuteil wird: das sogenannte Republican Rules Committee. Das ist eine dem obersten Parteiführungsgremium unterstellte Kommission, die die Regeln für den Ablauf des Parteitags festlegt. Längst arbeiten Cruz’ und Kasichs Leute hinter den Kulissen fieberhaft daran, die Zusammensetzung des 112-köpfigen Rules Committee in ihrem Sinn zu beeinflussen. Genauso, wie sie schon seit Monaten - teilweise erfolgreich - versuchen, die Delegiertenlisten der einzelnen Bundesstaaten mit Vertrauensleuten zu durchsetzen.

Neue Regeln für Parteitag

Zeigt sich das Prozedere dieser Manipulationen von außen besehen relativ kompliziert, ist die Kalkulation dahinter einfach: Kommt es am Parteitag nach der ersten Kampfabstimmung zu keinem Ergebnis, kommt es eventuell zu einem zweiten oder dritten oder x-ten Wahlgang, in dem sich manche oder gar alle Parteitags-Delegierten nicht mehr an das Wahlergebnis in ihrem Heimat-Bundesstaat halten müssen. Was nichts anderes hieße, als dass sämtliche Siege Trumps an der Wahlurne für null und nichtig erklärt werden könnten.

Für diese Methode, Trump den Garaus zu machen, spricht einiges. Aber nicht alles: Niemand weiß, wie der 69-Jährige selbst und seine Hardcore-Anhänger in Cleveland auf solche Aktionen reagieren würden. Von seinen Wählern ganz zu schweigen. Die oftmaligen Gewaltausbrüche bei Trumps Wahlkampfveranstaltungen als Vorboten für Schlimmeres? Anderereseits diskutieren nicht wenige RNC-Strategen hinter vorgehaltener Hand längst darüber, wie man sich genau diese zunutze machen könnte. Sprich mehr oder minder aktiv Schlägereien auf der Convention zu provozieren, um dann mit dem Finger auf die Trump-Leute zeigen und folglich einen klaren Schnitt rechtfertigen zu können. Ob das alles wirklich cool wäre, wie John Kasich meint, liegt freilich im Auge des Betrachters.