Ilkka Laitinen: EU-Staaten müssen Geld beisteuern. | Illegale Immigration wird für Afrikaner immer gefährlicher. | "Wiener Zeitung":Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat keine eigenen Fahrzeuge, Boote oder Flugzeuge. Was macht sie eigentlich?
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Ilkka Laitinen: Unsere Aufgabe ist die Koordination. Wir erstellen Risikoanalysen und empfehlen Maßnahmen. Etwa eine Expertenmission in Malta und zusätzlich Patrouillen mit Schiffen und Flugzeugen an der afrikanischen Küste. In der nächsten Phase fragen wir die Mitgliedsstaaten, ob sie teilnehmen und welche Mittel sie beisteuern können. Dann stellen wir den Operationsplan fertig, kümmern uns um die Finanzierung, und die Operation kann beginnen.
Wie lange dauert das von der Risikoanalyse bis zum Einsatz?
Normalerweise dauert es nur ein paar Tage, bis wir an die Mitgliedsländer herantreten können. Die brauchen dann etwa eine Woche, um über ihren Beitrag nachzudenken.
Hat ihre Analyse die Krise auf den Kanarischen Inseln vorhergesehen?
Allerdings. Wir haben das Anwachsen der illegalen Einwanderung vorhergesagt.
Und warum hat es dann so lange gedauert, bis Sie eingegriffen haben?
Es hat durchaus nicht lange gedauert. Es hat bereits vor dieser sehr öffentlichen Phase der Krise eine Reihe von gemeinsamen Operationen gegeben und es wird auch danach noch einige geben. Das gilt auch für den Mittelmeerraum.
Bekannt sind nur der gegenwärtige Einsatz mit zwei Schiffen und zwei Flugzeugen und die für Malta geplante Mission. Welche anderen Operationen haben denn bisher schon stattgefunden?
Genau solche Operationen wie jetzt, es gab nur weit weniger Öffentlichkeit. Und am Freitag habe ich grünes Licht für den Malta-Einsatz gegeben. Er wird innerhalb der nächsten Tage beginnen.
Wie groß ist diese Operation?
Sie ist vom selben Kaliber wie jene bei den Kanarischen Inseln.
Also zwei Boote und zwei Helikopter?
Wir kennen die genaue Anzahl der Boote bei den Kanaren nicht mit Sicherheit und die Zahl schwankt im Laufe der Operation. Aber es sind sehr viele mehr. Sie müssen bedenken, dass die spanischen Behörden ihre Schiffe geschickt haben und auch Mauretanien sowie Senegal teilnehmen. Frontex koordiniert den Einsatz.
Wie groß ist denn nun die gesamte Flotte?
Ich bin nicht so interessiert daran, alle Details dieser Operation zu diskutieren. Ich muss immer an die Konsequenzen denken, wenn bekannt ist, wann genau wo wie viele Schiffe patrouillieren und wie wahrscheinlich es ist, auf eines von ihnen zu treffen.
Sind Sie mit dem Umfang der Missionen und der Unterstützung der Mitgliedsstaaten zufrieden?
Ich würde nicht sagen, dass ich vollkommen zufrieden bin. Die ideale Situation wäre, wenn ich mehr Optionen hätte. Die EU wird aber in absehbarer Zukunft keine eigenen Schiffe und Flugzeuge haben. Der einzige Weg ist die Nutzung der Mittel der Mitgliedsstaaten.
Wo sehen Sie denn die nächsten Krisen? Wieder an den Südgrenzen der EU?
Natürlich wird der Immigrationsdruck aus Afrika weiter bestehen. Wir haben in den letzten drei Jahren folgende Entwicklung beobachtet: Zuerst haben die Einwanderungsströme von Marokko direkt das spanische Festland angesteuert. Als die Spanier ein Überwachungssystem etabliert haben, richtete sich der Druck gegen die Städte Ceuta und Mellila. Als die Maßnahmen dort gegriffen haben, ging der Druck weiter nach Süden. Es gelang ein Kooperationsabkommen mit Mauretanien. Als Konsequenz verlagerte sich die Route noch weiter nach Süden über Senegal. Und jetzt könnte sie sich erneut nach Süden verlagern, weil wir mit den senegalesischen Behörden zusammenarbeiten.
Weiter südlich gibt es kein EU-Territorium. Das bedeutete einen längeren Seeweg.
Genau. Die längere Distanz und die Bedingungen auf dem Meer machen es extrem gefährlich. Und es ist alarmierend, dass wir immer weniger Boote sehen, aber die Immigranten mehr werden. Es sind immer mehr Menschen in den Booten.
Kommen die Menschen tatsächlich vor allem aus dem Süden?
Die Zahlen der illegalen Grenzübertritte über die Landgrenze der EU im Osten und über die Balkanroute - hier ist der Menschenhandel ein Problem - sind sogar noch höher.
Zur Person:
Ilkka Laitinen (45) begann 1982 bei der finnischen Grenzschutzpolizei zu arbeiten. Nach leitenden Jobs in der EU, etwa als Direktor für Risikoanalysen, leitete der Oberst zuletzt die Abteilung für internationale Grenzschutzkooperation im finnischen Innenministerium, bevor er an die Spitze der 2005 gegründeten EU-Grenzschutzagentur berufen wurde. Frontex hat derzeit 67 Mitarbeiter aus 22 Mitgliedsstaaten, und verfügt 2006 über ein Jahresbudget von gut 10 Millionen Euro. Bis 2009 soll es auf rund 30 Millionen aufgestockt werden.