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Immer nahe am Menschen: Sabina Zapior singt in Amtshäusern und Museen.
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Wien. "Oper ist eine Kunst, die nur für einen sehr engen Kreis der Liebhaber reserviert ist", meint Sabina Zapior. "Ich wollte aber, dass diese für jeden zugänglich ist." Also gründete sie vor vier Jahren den Kulturverein Passion Artists und versucht seitdem, Menschen für Arien und Libretti zu begeistern.
"Ich möchte, dass der Zuschauer wenigstens einen Teil davon spürt, was ich auf der Bühne empfinde, wenn ich singe", sagt sie. Die 30-jährige Polin war schon als kleines Mädchen "von Damen in üppigen Opernkleidern mit lauten Stimmen" begeistert. Woher diese Begeisterung kommt, wisse sie nicht, denn ihre Mutter sei Wissenschafterin und habe mit der Musik nichts am Hut.
Sie wollte aber unbedingt singen, hatte keine Scheu vor dem Publikum und besuchte Kindercastings. Bereits im Alter von sechs Jahren sang Zapior in einem bekannten polnischen Kinderchor und spielte bald darauf ihre erste Kinderrollen bei Opernaufführungen - und hatte einen Traum: Oper für jedermann. "Ich komme aus einer armen Familie und konnte mir oft kein Ticket für die Oper leisten, also wollte ich den Eintritt, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, abschaffen", erzählt sie. Bis es jedoch so weit war, sollten noch ein paar Jahre vergehen. Sie studierte in Wien und Warschau Gesang, nahm an vielen internationalen Wettbewerben teil, bekam Auszeichnungen, gewann Preise, erhielt Stipendien. Nur ganz glücklich war Zapior immer noch nicht: "Wenn ich auf der Bühne stand, konnte ich die Reaktion des Publikums aufgrund der vielen Vorhänge und der starken Beleuchtung nicht sehen", erklärt sie. Ihre nächste Idee: Die Distanz musste weg, der Blickkontakt musste her - und ihre Handynummer sollte bekannt sein. Sie wollte einfach wissen, ob ihre Kunst ankommt. Sie wollte den Kontakt zum Publikum - und das gleich nach der Vorstellung. Das Publikum muss sich aber auch zuerst einmal finden. Denn: Wie begeistert man Menschen, die nie in der Oper waren und nichts mit Oper und Operette anfangen können?
Mit Opernkleidern auf der Straße Flyer verteilt
"Am Anfang musste ich Menschen überreden, zu einer Vorstellung zu kommen", erzählt die Sopranistin. "Wir haben uns Opernkleider angezogen, sind in Wien auf die Straße gegangen und haben Flyer verteilt."
Sie erklärt, dass nur die bekanntesten Stücke in einer neuen Dramaturgie gesungen werden: leicht zugänglich, zum Mitmachen und Mitsingen, im eigenen Bezirk und bei freiem Eintritt. Es wird lediglich um eine Spende gebeten. Denn der Zuschauer soll selbst entscheiden, ob er zahlen kann, wie viel ihm der Abend wert ist und ob er die Künstler unterstützten möchte. "Menschen sind gekommen, haben uns gesehen und sich selbst davon überzeugt, dass es kein Latein ist", sagt sie.
Beim ersten Auftritt waren vielleicht zwanzig Zuschauer im Raum, mittlerweile sei der Saal voll und zunehmend bilde sich auch ein gutes Stammpublikum. Zapior arbeitet mit mehreren Bezirken zusammen. Allerdings sei das Publikum im 21. Bezirk ein anderes als beispielsweise jenes im 19. Bezirk. So sind es in Döbling vorwiegend Opernliebhaber, die ganz genau wissen, was sie hören werden. Deshalb wird das Programm mit weniger Action gestaltet als etwa in Floridsdorf, wo das Publikum weniger anspruchsvoll ist.
Nach dem Konzert gibt sie ihre Kontaktdaten weiter
Nach dem Konzert treffen sich Zapior und das Ensemble mit dem Publikum. "Ich gebe auch gerne meine Handynummer und E-Mail-Adresse weiter. Mir ist der Kontakt mit dem Publikum sehr wichtig", erzählt die 30-Jährige. "Die Liebe zur Musik macht uns zu einer Familie", meint sie. Zapior sagt, dass Musik integriert. Denn bei Musik unterhalten sich Menschen und es entstehen Netzwerke. Auch sie selbst werde privat eingeladen und bekomme auch Anfragen fürs Singen zu Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Das lehnt sie aber ab. "Ich muss meine Stimme für die Aufführungen schonen, nur manchmal mache ich für mein Publikum doch noch eine Ausnahme." So sang sie vor rund zwei Wochen dann doch einmal bei einer Beerdigung.
Einmal kam eine ältere Dame mit einem Rollator nach dem Konzert zu ihr, um sich zu bedanken. Dabei sagte sie, dass die gesundheitlich sehr angeschlagen sei und sie es nicht mehr schaffe, in die Oper zu fahren, weshalb das Konzert wahrscheinlich ihr letztes gewesen sei, bevor sie stirbt. "Dann weiß ich auch, warum diese Arbeit so viel Sinn macht", betont Zapior. Die Arbeit ist der Versuch, Hochkultur auf niederschwelliger Basis zu vermitteln. Sie singt in Bezirksämtern, Bezirksmuseen, Amtshäusern. Ihren Unterhalt verdient sie aber hauptsächlich in Italien, wo sie häufig engagiert wird.
Gerade übt Zapior "Rigoletto" von Giuseppe Verdi mit jungen Künstlern. Die Premiere findet am 7. Juni im Gloria Theater im Rahmen des "Passion Oper Festival 2013" statt.
Die Probe beginnt: Ein paar Lockerungsübungen, ein paar Schritte im Kreis helfen bei der Vorbereitung. Eine junge Frau fängt zu singen an. "Stopp. Diese Stelle musst Du aber anders singen", erklärt Zapior und singt vor. "Ich biete jungen Menschen die Möglichkeit, bei mir zu lernen, mit einem professionellen Team zusammenzuarbeiten, sich vor einem Kritiker zu zeigen und Bühnenerfahrungen zu sammeln."
Rund 100 Künstler haben schon bei ihr gelernt
"Wenn man gerade erst mit einer Gesangsausbildung fertig ist, fehlt es an Berufserfahrung und ohne Berufserfahrung ist der Berufsstart schwierig", meint die Sängerin. Bald werden es fast 100 Künstler sein, die zu ihr gekommen sind, um zu lernen und mitzusingen. Mehr als 200 Konzerte hat es schon gegeben.
Sie selbst kam vor acht Jahren mit nur 400 Euro in der Tasche in die Bundeshauptstadt - und hatte es nicht leicht, hier Fuß zu fassen. Aber: "Mir wurde geholfen, also versuche ich auch, anderen weiterzuhelfen."

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