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Die Rechtspopulisten verhelfen mit ihrem Wahltriumph den Rechtsliberalen zum Premiersamt.
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Kopenhagen/Wien. Lars Lökke Rasmussen nimmt sich Wolfgang Schüssel zum Vorbild: Trotz eines Debakels mit nur Platz drei gelingt ihm der Sprung an die Regierungsspitze. Was der Ex-Kanzler nach der Nationalratswahl 1999 schaffte, steht dem dänischen Rechtsliberalen nach der Parlamentswahl vom Donnerstag bevor. Dabei wurde seine Partei Venstre von nicht einmal jedem fünften Dänen gewählt und verlor gegenüber dem Urnengang 2011 mehr als sieben Prozentpunkte. Die Sozialdemokraten unter der bisherigen Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt wurden zwar mit 26,3 Prozent mit Abstand stärkste Kraft, doch im zersplitterten Parteiensystem Dänemarks verloren ihre Partner zu viele Stimmen. Denn traditionell bilden die Mitte-Links-Gruppierungen den "Roten Block" einer Quasi-Wahlplattform. Der bisher oppositionelle "Blaue Block" von Mitte-Rechts verfügt nun über die kleinstmögliche Mehrheit, stellt 90 der 179 Sitze im Folketing, dem Parlament.
Zu verdanken haben Lökke Rasmussen und Schüssel ihr Amt jeweils einer rechtspopulistischen Partei. Wie die FPÖ 1999 schaffte nun die Dänische Volkspartei (DF) Platz zwei. Schüssel wird noch heute von Konservativen als "Drachtentöter" verehrt, der die FPÖ durch die Regierungsbeteiligung zähmte. Lökke Rasmussen steht vor der Herausforderung, dass die DF gar nicht in die Regierung will. Deren Chef Kristian Thulesen Dahl möchte als Dulder der Regierung von außen möglichst viel Druck ausüben. "Angesichts des Wahlerfolgs lässt sich der Gang in die Opposition aber nur schwer verkaufen", sagt Politikwissenschafter Philip Rathgeb vom European University Institute in Florenz zur "Wiener Zeitung". Sollte die DF tatsächlich in die Regierung wechseln, wäre sie Opfer ihres eigenen Erfolges und künftig für unangenehme Kompromisse, die zum Regieren gehören, mitverantwortlich.
Vier Forderungen hat Thulesen am Tag nach dem DF-Triumph - sie gewann fast neun Prozentpunkte hinzu - gestellt: Die Zahl der Asylwerber müsse reduziert, zudem müssen Grenzkontrollen wieder eingeführt werden. Die Sozialausgaben für alte und kranke Dänen sollen erhöht werden. Und die EU müsse im Verbund mit Großbritannien reformiert werden. Mit letzterer Forderung läuft die DF innerhalb des "Blauen Blocks" offene Türen ein; Venstre, Konservative Volkspartei und Liberale Allianz haben dem britischen Premier David Cameron ihre Unterstützung für dessen EU-Kurs bereits zugesagt.
Kein EU-Austrittsvotum
Wie Großbritannien hat sich auch Dänemark diverse Sonderregelungen ausbedungen, ist etwa nicht Teil der Währungsunion und der gemeinsamen Verteidigungspolitik. Bereits jetzt arbeiten Camerons Tories und die Dänische Volkspartei zusammen, sie sind im EU-Parlament in der Fraktion der "Europäischen Konservativen und Reformer" vertreten - gemeinsam mit der ebenfalls populistischen "Partei der Finnen". Sogar eine Volksabstimmung über den Verbleib in der Union hatte die DF nach Vorbild Camerons ventiliert. "Diese war nun aber nicht Teil der Wahlkampagne. Die Dänische Volkspartei wird jedoch gemeinsam mit Cameron Souveränitätsrechte zurückfordern", sagt Politologe Rathgeb. Zwar gehen die Dänen in mehreren Unionsbereichen ihren eigenen Weg, doch befürworten mehr als drei Viertel der Bürger die Mitgliedschaft in der EU.
Im Detail unterscheiden sich die neuen Partner im Kopenhagener Folketing sehr wohl in ihrem Europakurs. Grenzkontrollen, wie sie die DF befürwortet, schmecken Venstre als klassischer Unternehmerpartei eigentlich nicht. Das hinderte die Partei jedoch 2011 nicht daran, sie in die Tat umzusetzen. Als Gründe nannte man damals illegale Einwanderung und Grenzkriminalität - ein Zugeständnis an die DF, welche zu der Zeit die Venstre-geführte Regierung stützte. Premier damals: Lars Lökke Rasmussen.
Unbeliebter Premier
Der mittlerweile 51-Jährige hatte seine Wahlniederlage gegen die Sozialdemokratin Thorning-Schmidt 2011 als Majestätsbeleidigung empfunden. Lökke Rasmussen gab ihr die Schlüssel zum Büro des Regierungschefs mit den Worten: "Liebe Helle, pass gut auf sie auf, denn sie sind nur geliehen." Mit Lökke Rasmussens Wahlschlappe verlor Venstre nach fast zehn Jahren das Premiersamt. Dass er dennoch nicht den Parteivorsitz aufgeben musste, zeigt, wie gut er intern vernetzt ist. Auch diverse Skandale ließen ihn nicht fallen; selbst als herauskam, dass ihm die Partei 20.000 Euro für Kleidung zahlte. Bei den Bürgern ist der neue Premier aber nicht beliebt. Die ausländerfeindliche Diktion der DF griff er im Wahlkampf auf, sie half nicht Löke Rasmussen, sondern - wie europaweit immer in dieser Frage - dem populistischen Original.
Zwar werden im Folketing auch Mehrheiten über die Blockgrenzen hinweg gesucht. "Dieses System etablierte ab den 1990ern der damalige sozialdemokratische Premier Poul Nyrup Rasmussen", erklärt Politikwissenschafter Rathgeb. Doch trotz der parlamentarischen Gepflogenheiten ist Lökke Rasmussen der DF schon allein aufgrund ihrer Stimmenstärke ausgeliefert. Auch in diesem Punkt ähnelt Dänemarks künftiger Premier Wolfgang Schüssel.