Präsident Fischer verschiebt wegen der aktuellen politischen Lage Thailand-Reise.
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Bangkok/Wien. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt: Von 10. bis 14. Februar wollte Bundespräsident Heinz Fischer Thailand und Myanmar (Burma) mit einer Wirtschaftsdelegation besuchen, doch nun wurde in Absprache mit der thailändischen Seite die Reise verschoben - auf einen günstigeren Zeitpunkt, wann auch immer der sein wird. Grund dafür ist laut Präsidentschaftskanzlei "die aktuelle politische Lage" in Thailand. Während es in Myanmar ruhig ist, erlebt Thailand Tage der Dauerdemonstrationen und der politischen Instabilität. Seit Wochen versucht ein Oppositionsbündnis, die Macht von Premierministerin Yingluck Shinawatra zu brechen.
Es ist unklar, wohin das Land driften wird: Für den 2. Februar wurden kürzlich wegen der Massenproteste Neuwahlen angesetzt, doch niemand weiß, ob diese tatsächlich stattfinden können, niemand weiß, wer Mitte Februar - an dem ursprünglich geplanten Zeitpunkt der nun verschobenen Fischer-Reise - an der Macht sein wird, ja, niemand kann derzeit sagen, ob Thailand dann überhaupt noch eine Demokratie sein wird.
Folgendermaßen stellen sich die Frontlinien derzeit dar: Auf der einen Seite steht die Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra, die aufgrund von Sozialprogrammen vor allem bei der jahrzehntelang vernachlässigten Landbevölkerung im Nordosten des Landes und den städtischen Tagelöhnern beliebt ist. Auf der anderen Seite steht die von Ex-Vizepremier Suthep Thaugsuban angeführte Protestbewegung. Sie rekrutiert sich besonders aus den alten Eliten und der städtischen Mittelschicht und wirft Yingluck Shinawatra vor, nur eine Marionette ihres Bruders Thaksin Shinawatra zu sein. Der Ex-Premier wurde in Thailand wegen Korruption verurteilt und weilt daher im Exil.
Auch dass Regierungschefin Yingluck für Anfang Februar Neuwahlen ausgerufen hat, hat die Lage nicht beruhigt. Die Regierungsgegner können sich damit nicht anfreunden, da die regierende Partei Puea Thai den Urnengang wohl erneut gewinnen würde. Die mit der Protestbewegung verwobene Demokratische Partei will das Votum boykottieren. Und Suthep, der Anführer der Demonstrationen, stellt das demokratische System in Frage: Er will keine allgemeinen Wahlen, er will keine Massendemokratie, stattdessen soll das Land zumindest vorübergehend von einem Expertenrat gelenkt werden. Wer diesen wie genau ernennt, darauf gibt Suthep nur vage Antworten.
Demos und Blockaden
Suthep, der selbst wegen dubioser Landvergaben keine weiße Weste haben soll, fordert die Regierung zum Showdown heraus. Ab Montag nächster Woche soll die Hauptstadt Bangkok für eine unbestimmte Zeit lahmgelegt werden. Mit hunderttausenden Anhängern will Suthep wichtige Kreuzungen in der Acht-Millionen-Metropole besetzen. Privathäuser von Ministern und Ministerien sollen blockiert und Wasser- und Stromzufuhr gekappt werden, um den Regierungsbetrieb zu stören. Diplomaten, deren Botschaften nahe den vorgesehenen Protest-Routen liegen, fürchten laut Medienberichten schon, dass auch ihre Vertretungen durch die Unruhen Schaden erleiden könnten. Und Touristen wird dringen empfohlen, sich von Menschenansammlungen fernzuhalten (siehe auch Artikel unten).
Die Buchungen in den Bangkoker Hotels sind schon zurückgegangen, und auch sonst herrscht Sorge, welche wirtschaftlichen Konsequenzen die politischen Krise noch zeitigen wird. Die Währung Baht hat kräftig an Wert verloren - seit November vergangenen Jahres um 15 Prozent, der Aktienindex sackte zum Jahresbeginn um fünf Prozent ab. Gelingt der Protestbewegung ihre Bangkok-Blockade, werden Einkaufszentren leer stehen und in der Hauptstadt ansässige Unternehmen müssen damit rechen, dass Lieferungen ausfallen.
Weniger betroffen dürfte die Exportwirtschaft sein, da die Produktionsstätten außerhalb der Protestrouten liegen. Aber Investoren sind ob der unklaren politischen Lage zusehends verunsichert und halten sich laut Analysten zurück.
Das rasant wachsende Schwellenland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten radikal verwandelt. Aus einer Agrargesellschaft wurde eine zusehends ausdifferenzierte Volkswirtschaft, die stark industrialisiert ist, vom Export angetrieben wird und einen hohen Dienstleistungsanteil aufweist. Doch laut vielen Beobachtern hat die Politik mit dieser Wandlung nicht Schritt gehalten. Sie denkt teilweise noch immer in feudalen Strukturen.
Das sehen manche Analysten auch als eigentliche Wurzel des politischen Konflikts. Die alten Eliten fürchten in der Massendemokratie um ihre Stellung. Dass Protestführer Suthep ein Expertenkabinett an der Macht sehen will, erinnert an Patronage. Ex-Premier Thaksin wiederum hat die Macht der Massen entdeckt, sie mit Sozialprogrammen auf seine Seite gezogen und damit Wahlen gewonnen. Seine Schwester, die gegenwärtige Regierungschefin Yingluck, setzt dieses Erbe fort. Aber auch Thaksin und seine Mitstreiter sind im Endeffekt Gönner, die Geschenke verteilen.
Die Institutionen bleiben somit schwach, Persönlichkeiten und Netzwerke bestimmen die Politik. Und diese sind schon seit Jahren zu keinerlei Kompromissen bereit. Thailand findet somit keinen Ausgleich, keinen Konsens, in dem sich die unterschiedlichen Interessen in dem Land wiederfinden könnten.