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Opposition erteilt Berlusconi Abfuhr

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv

PD fordert neuen Premier oder vorgezogene Neuwahlen. | Mailänder Staatsanwaltschaft will Eilprozess. | Wien/Rom. "Betrug", "wenig glaubwürdig und konfus", "zu spät". Italiens Opposition reagierte am Montag einmütig ablehnend auf den von Regierungschef Silvio Berlusconi in einem offenen Brief in der Zeitung "Corriere della Sera" vorgeschlagenen "Pakt für nationales Wachstum".


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Der skandalgebeutelte Regierungschef, gegen den die Mailänder Staatsanwaltschaft bis Ende dieser Woche einen Eilprozess wegen der Affäre um minderjährige Prostituierte beantragen will, steht nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Lage des Landes unter Druck. In der Vorwoche hatte die Präsidentin des Industriellenverbandes Confindustria, Emma Marcegaglia, kritisiert, dass die Regierung seit einem haben Jahr auf der Stelle trete. Es gebe ein anderes Italien, das früh zu Bett gehe und früh aufstehe, ehrlich arbeite, produziere und sich engagiere - und dieses Italien müsse gefördert werden.

In seinem Vorschlag an Oppositionschef Pierluigi Bersani schlägt Berlusconi eine Reform des Steuersystems, Maßnahmen für Unternehmen und Jugendliche, Liberalisierungen mehrerer Wirtschaftsbereiche und den Kampf gegen Steuerhinterziehungen vor.

Der Vizechef der Demokratischen Partei (PD), Enrico Letta, gab eine klare Antwort: "Berlusconi kommt nach dem Ablauf seiner Zeit. Wir haben diese Konfrontation seit zwei Jahren gefordert, aber er hat immer gemeint, es sei ohnehin alles in Ordnung. Jetzt wollen wir mit einem neuen Mitte-Rechts-Premier über Reformen reden, oder mit Berlusconi, aber in einem Wahlkampf."

Kritik und Hohn von der Opposition

Ähnlich sind die Reaktionen der anderen Oppositionsparteien. Als unglaubwürdig und sehr konfus bezeichnete der Koordinator der Fini-Partei FLI, Adolfo Urso, die Vorschläge des Premiers. Francesco Rutelli, einst Herausforderer Berlusconis, meinte, ein amtierender Regierungschef solle Gesetzesvorschläge vorlegen und nicht Artikel schreiben. Rutelli sprach auch von Betrug, meinte, Berlusconi sei in den letzten zehn Jahren acht an der Macht gewesen. Da stelle sich die Frage, warum er die nun angebotenen Reformen nicht gemacht habe. Der Sekretär der oppositionellen christdemokratischen UDC Lorenzo Cesa vermerkte mit Genugtuung, dass Berlusconi Selbstkritik geübt habe.

Unterdessen hat eine Gruppe von italienischen Professorinnen, Politikerinnen und Journalistinnen im Internet 100.000 Unterschriften gesammelt, um den Rücktritt des in Sex-Affären verstrickten Regierungschefs zu fordern.