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Opposition trauert um Galionsfigur

Von Arian Faal

Politik

Begräbnis wurde zur Anti-Regierungs-Kundgebung. | Khamenei spricht von "Montazeris Irrweg". | Wien/Teheran. Er sprach nicht viel, aber was er sagte, hatte Gewicht - sowohl bei der Geistlichkeit als auch im iranischen Volk. Seit Sonntag ist Großayatollah Hossein Ali Montazeri, der Widersacher des obersten geistlichen Führers Ali Khamenei, nach langer Krankheit verstummt. Die grüne Bewegung, Irans Opposition, hat ihre spirituelle Leitfigur und einen der prominentesten Regimekritiker der Regierung innerhalb der Geistlichkeit verloren.


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Seine Beerdigung am Montag wurde zur Großdemonstration, hunderttausende Anhänger strömten schon in den Morgenstunden in die heilige Stadt Ghom. Sie skandierten Slogans zur Unterstützung Montazeris und zur Unterstützung von Oppositionsführer Mir Hossein Moussavi. Es kam zu heftigen Zusammenstößen zwischen Opposition und Regimeanhängern, die "Tod für Moussavi" riefen. Mehrere Personen wurden verletzt, Dutzende schon bei der Fahrt nach Ghom verhaftet. Die "Hoch-lebe-Montazeri"-Rufe erinnerten an 1988. Damals bekamen sämtliche öffentliche Institutionen die Weisung der Führung, das Abbild Montazeris, der seit 1979 als Nachfolger von Revolutionsgründer Ruhollah Khomeini galt, abzumontieren, nachdem dieser durch harsche Kritik vor allem an den Massenerschießungen in iranischen Gefängnissen in Ungnade gefallen war. Schon damals ließ ihn das Volk hochleben.

Schon drei Tage darauf war Khomeini mit Khamenei und nicht mehr mit Montazeri zu sehen. Nun ist sein Bild überall im Land, wenn auch nicht offiziell, als moralischer Wegweiser der Protestbewegung wieder präsent. "Einschüchterungen, Drohungen, Festnahmen, illegale Schauprozesse, schwere Strafen für Menschen, die mehr Freiheit verlangen, sowie falsche und irreführende staatliche Propaganda - alles das hat den Willen und die Entschlossenheit des Volkes nicht brechen können", schrieb er kürzlich. "Hofft auf keinen schnellen und einfachen Sieg", mahnte er zugleich die jungen Oppositionellen.

JahrelangerHausarrest

Die Führungselite kondolierte entsprechend sehr trocken. Khamenei bat um "Vergebung für Montazeris Irrweg" und spielte somit auf deren jahrelange Fehde an: Als Montazeri 1997 Khamenei öffentlich kritisierte, verwüsteten Schläger sein Büro. Er entkam unverletzt, wurde aber in Ghom unter Hausarrest gesetzt und komplett isoliert. Erst 2003 wurde der Bannfluch aufgehoben. Zum Schweigen konnte man ihn nie bringen. "Der Führer muss sich auf die Seite des Volkes stellen, sonst ist er fehl am Platz", lautete eine der letzten Fatwas des 87-Jährigen.