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Opposition wittert Morgenluft

Von Ines Scholz

Politik

Flutkatastrophe bedroht nun auch Bangkoks Zentrum, Notstand gefordert.


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Bangkok. Noch hat die Flutwelle das Zentrum von Bangkok nicht erreicht. Doch wie lange die eilends errichteten Dämme den Wassermassen noch standhalten, wagt niemand zu sagen. Die zahlreichen Banken, Luxuskaufhäuser, internationalen Büros und noblen Restaurants, die das Bild des pulsierenden Geschäftsviertels in der Innenstadt prägen, rechnen jedenfalls mit dem Schlimmsten.

Andere Viertel in Thailands Metropole stehen bereits knietief im Wasser. Betroffen sind vor allem der Norden und Westen der 12-Millionen-Einwohner-Stadt. In sechs weiteren Stadtteilen wird mit einer Überflutung in den kommenden Stunden oder Tagen gerechnet. Einige von ihnen grenzen direkt an das Wirtschaftszentrum der Innenstadt. Das Wasser könnte im Zentrum bis zu einem Meter hoch steigen, warnte Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra, die wegen des chaotischen Krisenmanagements massiv unter Beschuss geriet.

Besonders schlimm trifft es die Bewohner entlang des Flusses Chao Phraya, der vom Norden her mitten durch Bangkok fließt und 35 Kilometer südlich in den Golf von Thailand mündet. Ein Teil des alten Flughafens im Randbezirk Don Muang wurde mittlerweile zum größten Evakuierungszentrum der Stadt umfunktioniert. Während in einem Trakt die Fluggäste für Inlandsflüge abgefertigt werden, haben in der Abflughalle gegenüber rund 2500 Menschen ihre notdürftigen Schlafzelte aufgeschlagen. Helfer verteilen Essensrationen, Decken, Kleider und Windeln. Selbst eine provisorische Schule wurde eingerichtet. Die Häuser der Notflüchtlinge wurden von den Fluten zerstört, nun hoffen sie, nicht ein weiteres Mal umsiedeln zu müssen. Denn mittlerweile ist auch das Flughafenareal, auf dem auch das Flut-Krisenzentrum der Regierung untergebracht ist, wegen des weiter steigenden Wasserpegels keineswegs sicher. In den westlichen Bezirken Bangkoks ist die Lage nicht weniger dramatisch.

Hunderttausende Stadtbewohner müssen nach Schätzungen der Regierung aus ihren überfluteten Häusern und Wohnungen evakuiert werden. Darunter auch Spitäler - und Gefängnisse.

Panikkäufe und zu wenige Rettungsboote

Armee und Polizei kommen mit den Rettungsmaßnahmen kaum nach. Es fehlt vor allem an Booten, aber auch an einem koordinierten Krisenmanagement des staatlichen Flut-Krisenzentrums. Immer schwieriger gestaltet sich auch die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten, nachdem Panikkäufe die Supermärkte vielerorts leergefegt hatten. Die Behörden begannen nun damit, Nahrungsverteilungszentren einzurichten. Doch auch hier mangelt es an der notwendigen Logistik. Noch viel dramatischer ist die Lage in Zentralthailand und den Provinzen nördlich von Bangkok, wo durch den verheerenden Monsunregen mittlerweile neun Millionen Menschen ihre Bleibe verloren.

Für Premierministerin Yingluck, die erst im Juli die von Bangkoks Elite dominierte Demokratische Partei von der Macht verdrängt hatte, gerät die erste Belastungsprobe zu einem innenpolitischen Desaster. Statt ein effizientes Krisenmanagement auf die Beine zu stellen, wendet sie sich mit schalen Durchhalteparolen an die Bevölkerung, was ihr heftige Kritik seitens der Opposition einbrachte. Diese versucht nun, aus dem Missmanagement der unerfahrenen 44-Jährigen, deren Wählerreservoir im verarmten Norden des Landes liegt, politisches Kapital zu schlagen.

So verkündete der Gouverneur von Bangkok kürzlich, dass die von der Regierung angeordneten Maßnahmen zur Eindämmung der Hochwasserkatastrophe seiner persönlichen Zustimmung bedürfen. Sein Parteikollege, Oppositionsführer Abhisit Vejjajiva, verlangte gar, das Anti-Krisen-Management weitgehend an die Armee zu übertragen und schlug deshalb die Ausrufung des Notstands vor, was die Regierung freilich ablehnte. Per Gesetz sicherte sie sich nun rasch die Oberhoheit über den Katastrophenschutz.