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Oppositions-Dorado im roten Rathaus?

Von Walter Hämmerle

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Ganz so weit ist es in Wien noch nicht. Beim Thema U-Ausschüsse gehen die Uhren aber immerhin anders. | Okay, zugegeben, der Wiener Gemeinderat ist nicht gerade ein Musterbeispiel für lebendigen Parlamentarismus. Tatsächlich sind die Sitzungen eher gefährdet, nicht einmal mehr professionelle Beobachter in ihren Bann zu ziehen.


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Verantwortlich ist die - zumindest aus macchiavellistischer Sicht - faszinierende Konstruktion der Stadtverfassung: Deren ganzes Sein ist auf die Interessen der Mehrheitspartei ausgerichtet; die potenzielle Existenz anderer Auffassungen, auch Opposition genannt, findet allenfalls am Rande Raum - entsprechend kümmerlich sind auch ihre Rechte ausgestaltet.

In einem Punkt kann sich der Nationalrat dennoch am Wiener Gemeinderat ein Beispiel nehmen: Die Einsetzung von Untersuchungskommissionen sind hier ein Minderheitenrecht, die Unterschrift von 34 der 100 Abgeordneten reicht aus. Für den Nationalrat scheitert die Einführung von U-Ausschüssen als Minderheitenrecht am Widerstand der ÖVP.

Wenig Verständnis für diese Haltung seiner Bundespartei hat der Klubobmann der Wiener ÖVP, Matthias Tschirf. Kein Wunder, immerhin war es ein harter Kampf, bis die Wiener Schwarzen den Rathaus-Roten dieses Zugeständnis abgerungen hatten. Die SPÖ befand sich damals, 1996 bis 2001, in einer - wie man heute weiß - vorübergehenden Schwächephase und war auf einen Partner angewiesen. Ex-ÖVP-Landesobmann Bernhard Görg ahnte wohl, dass für seine Partei wieder schlechtere Zeiten kommen würden.

Für Tschirf haben die Gegenargumente der Bundes-ÖVP - etwa Angst vor inflationärem Missbrauch durch die Opposition - kein Gewicht, denn: "Die Mehrheit bleibt ohnehin Herr des Verfahrens im Ausschuss, die Minderheit hat nur das Thema in der Hand."

Bedenkenswert auch das Wiener Procedere beim Vorsitzenden: Der ist kein Politiker, sondern wird per Los aus einem Dreier-Vorschlag ermittelt, der aus je einem Richter, Notar und Rechtsanwalt besteht. Die jeweiligen Personalvorschläge stammen vom Oberlandesgericht, der Notariats- sowie Rechtsanwaltskammer. Die "Rolle eines parteipolitischen Groß inquisitors" bleibe, so Tschirf, damit unbesetzt.

Zusätzlich vermindert wird die Macht dieser Kontrollinstruments auf Gemeindeebene, wo im Unterschied zum U-Ausschuss im Nationalrat auch nicht die Strafprozessordnung gilt, dadurch, dass nicht zwei U-Kommissionen gleichzeitig arbeiten dürfen, ein Abgeordneter nur zwei Mal in der 5-jährigen Legislaturperiode unterschreiben darf und gerichtsanhängige Themen ausgeschlossen sind.

Bisher machte die Opposition erst zwei Mal von ihrem Recht Gebrauch: Einmal war das Pflegeheim Lainz, ein anderer Mal die Flächenwidmungspraxis der Stadt das Thema. Das ist eben das Problem, wenn sich drei Parteien einig sein müssen und diese so grundverschieden sind wie ÖVP, Grüne und FPÖ. Zusätzlich erschwerend kommt da die Gewohnheit der Wiener SPÖ hinzu, sich abwechselnd eine der Oppositionsparteien besonders eng zur Brust zu nehmen. Nach Schwarz und Grün kämpft derzeit Blau um Atemluft am üppigen roten Busen.