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Oppositionschef ernennt sich zum Präsidenten

Von WZ Online

Politik

Parlamentspräsident Juan Guaido erklärt sich selbst zum Interimspräsidenten.|Die USA und die EU erkennen ihn an. Das Militär lehnt die Machtübernahme ab.|Heftige Auseinandersetzung und Tote in den Städten.


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Caracas/Washington. Vor Tausenden jubelnden Anhängern hat der venezolanische Parlamentspräsident Juan Guaido den sozialistischen Staatschef Nicolas Maduro praktisch abgesetzt. Bei einer Kundgebung in der Hauptstadt Caracas erklärte sich der 35-jährige Abgeordnete am Mittwoch zum Übergangspräsidenten des südamerikanischen Landes. In der Folge kam es zu Unruhen, die bislang 13 Tote gefordert haben.

"Vor dem allmächtigen Gott gelobe ich, die Kompetenzen der Exekutive als Interims-Präsident von Venezuela zu übernehmen", sagte er. Minuten später erkannte US-Präsident Donald Trump den Oppositionsführer als rechtmäßigen Übergangspräsidenten an. "Ich werde weiterhin das volle Gewicht der wirtschaftlichen und diplomatischen Macht der Vereinigten Staaten nutzen, um auf die Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela zu drängen", teilte Trump in einer Mitteilung mit.

Damit scheint klar, dass der Versuch der Machtübernahme mit den USA abgesprochen wurde. Trump appellierte an andere Regierungen im Westen, Guaido ebenfalls als Übergangspräsidenten anzuerkennen. Bereits im August 2017 hatte Trump gesagt: "Wir haben viele Optionen für Venezuela, einschließlich einer militärischen, falls nötig."

Das venezolanische Militär erkennt Guaido nach den Worten von Verteidigungsminister Vladimir Padrino nicht als Präsidenten an. Die Einheiten würden die Verfassung verteidigen und die nationale Souveränität garantieren, schreibt der Minister auf Twitter.

Maduro sammelt seine Anhänger

Nicolás Maduro rief als Reaktion seine Anhänger vom Balkon des Präsidentenpalastes auf die Verteidigung seiner sozialistischen Regierung ein. "Hier ergibt sich niemand", rief Maduro.

In den Straßen von Caracas und anderen großen Städten des Landes lieferten sich in der Folge Regierungsgegner heftige Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften.

Maduro gab bekannt, dass Venezuela die diplomatischen Beziehungen zu den USA abgebrochen hat. Das diplomatische Personal müsse innerhalb von 72 Stunden das Land verlassen, sagte der amtierende Präsident. Er ruft das Militär zu Geschlossenheit und Disziplin auf. "Wir werden über all dies triumphieren, wir werden als Sieger hervorgehen", erklärt er vor Anhängern vor seinem Präsidentenpalast in Caracas. Die Opposition habe einen Putschversuch unternommen.

USA drohen mit noch härteren Sanktionen

Die US-Regierung hat Venezuelas Präsidenten Nicolas Maduro zu einer friedlichen Machtübergabe aufgefordert und andernfalls mit scharfen Konsequenzen gedroht. "Alle Optionen sind auf dem Tisch", sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter am Mittwoch in Washington.

Das gelte insbesondere für den Fall, sollte Maduro gegen Mitglieder des entmachteten Parlaments vorgehen. Kurz zuvor hatte US-Präsident Donald Trump Parlamentspräsident Juan Guaido als legitimen Interims-Staatschef Venezuelas anerkannt.

Der US-Regierungsvertreter sagte, die USA könnten ihre Wirtschaftssanktionen gegen die Maduro-Regierung drastisch verschärfen. In diesem Bereich habe man bisher "kaum an der Oberfläche" des Möglichen gekratzt. Auf die Frage, ob auch ein militärisches Vorgehen denkbar sei, sagte er: "Alles ist auf dem Tisch, alle Optionen." Jedenfalls hätten "Maduro und seine Kumpane" keine Zukunft. "So oder so sind ihre Tage gezählt."

Unterstützung für Guaido

Brasilien, Paraguay und Kolumbien haben den venezolanischen Parlamentschef Juan Guaido als Übergangspräsidenten des südamerikanischen Landes anerkannt. Auch Paraguays Regierungschef Marito Abdo erklärte in einem Tweet, Guaido als Übergangspräsidenten anzuerkennen. Das Land könne mit der Unterstützung Paraguays rechnen, schrieb Abdo.

"Kolumbien erkennt Juan Guaido als Präsidenten von Venezuela an und begleitet diesen Weg zurück zur Demokratie, damit sich das venezolanische Volk von der Diktatur befreien kann", lautete die Stellungnahme des kolumbianischen Präsidenten Ivan Duque am Mittwoch am Rande der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos.

"Die EU unterstützt umfassend das Parlament als demokratisch gewählte Institution, deren Befugnisse wiederhergestellt und respektiert werden müssen", teilte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in der Nacht auf Donnerstag mit.

Venezuela hat die diplomatischen Beziehungen mit den USA aufgrund deren Einflussnahme abgebrochen, berichtete Ultimas Noticias.
© Screenshot

Auch Kanada und die Führung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) stellten sich hinter Guaido. "Unsere Glückwünsche für Juan Guaido als Interims-Präsident von Venezuela. Er hat unseren Rückhalt, um das Land wieder zurück zur Demokratie zu führen", schrieb OAS-Generalsekretär Luis Almagro auf Twitter. Die Opposition beruft sich auf die Verfassung, nach der das Parlament übergangsweise die Exekutivgewalt übernehmen kann, wenn es keinen legitimen Präsidenten gibt.

Mexiko, Bolivien und Kuba halten an Maduro fest

Mexikos Regierung hält nach eigenen Angaben an der Präsidentschaft von Nicolas Maduro in Venezuela fest. Mexiko behalte die gleiche Beziehung mit der legitim gewählten Regierung in dem südamerikanischen Land bei, sagte der Sprecher von Präsident Andres Manuel Lopez Obrador, Jesus Ramirez, dem Fernsehsender "Milenio TV" am Mittwoch.

Präsident Maduro hatte sich vor zwei Wochen für seine zweite Amtszeit vereidigen lassen. Zahlreiche Staaten, internationale Organisationen und die Opposition erkennen ihn allerdings nicht als legitimen Präsidenten an, weil die Wahlen im vergangenen Jahr nicht demokratischen Standards entsprachen.

Unterstützt wird Maduro hingegen von seinen Verbündeten in Kuba, Bolivien und Nicaragua. Zuletzt versuchte er auch, seine Beziehungen zu Russland, China und der Türkei zu vertiefen.

Der bolivianische Staatschef Evo Morales erklärte, dass die "Klauen des Imperialismus" erneut versuchten, die Demokratie und Selbstbestimmung der Völker in Südamerika zu hintertreiben.  Solidarität gelte angesichts der "imperialistischen Versuche", die bolivarische Revolution zu destabilisieren, schrieb der kubanische Präsident Miguel Diaz-Canel auf Twitter.

Zehntausende auf den Straßen

Am Mittwoch gingen in ganz Venezuela Zehntausende Menschen gegen die sozialistische Regierung auf die Straßen. Die Demonstranten zeigten Transparente mit der Aufschrift "Wir sind frei" und skandierten "Sie wird stürzen, sie wird stürzen, diese Regierung wird stürzen".

Die Polizei feuerte Tränengasgranaten und Gummigeschoße in die Menge. Vermummte Demonstranten schleuderten Steine auf die Beamten. Nach Medienberichten wurden mehrere Demonstranten festgenommen. Auch Maduros Anhänger gingen auf die Straßen, um die Regierung zu unterstützen. Der 23. Jänner ist ein symbolisches Datum für das Land, weil an diesem Tag 1958 der damalige venezolanische Diktator Marcos Perez Jimenez gestürzt wurde.

Guaido rief die Streitkräfte auf, sich auf die Seite der Regierungsgegner zu stellen. Noch kann Maduro allerdings auf die Unterstützung der mächtigen Militärs setzen: Generäle sitzen an den wichtigen Schaltstellen der Macht, kontrollieren das Ölgeschäft, den Import von Lebensmitteln, Banken und Bergbaufirmen. Viele sollen in Korruption und kriminelle Geschäfte verwickelt sein.

Venezuela streckt in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Die Opposition wird unterdrückt, viele Regierungsgegner sitzen in Haft oder sind ins Exil geflohen. Aufgrund von Devisenmangel kann das einst reiche Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Rund drei Millionen Venezolaner sind bereits vor dem Elend ins Ausland geflohen.

(Quellen: WZ Online, APA, afp, dpa, Reuters, lokale Medien, Aussendungen)