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Optimieren der Staatskunst

Von Heinz Kienzl

Gastkommentare
Heinz Kienzl war Generaldirektor der Oesterreichischen Nationalbank.

Die Politik braucht Persönlichkeiten, die in kritischen Situationen den richtigen Weg weisen.


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"Die parlamentarische Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, aber alle anderen, die wir bisher versucht haben, waren noch schlechter", also sprach Winston Churchill. Manche meinen, man könnte durch eine Anreicherung der parlamentarischen Demokratie mit Elementen der direkten Demokratie, also Volksabstimmungen, Volksbegehren und anderen Manifestationen des Volkswillens, Churchills Behauptung falsifizieren, also durch Erkunden der Meinung der Bevölkerung eine bessere Regierungsform schaffen. Eine Erfolgsgarantie gibt es da nicht.

Das griechische Referendum vom Juli 2015 zeigt, dass Volksabstimmungen die politische Führung in einen Irrgarten führen können.

In Österreich registrieren wir eine wachsende Zahl an Bürgern, die an Wahlen zu parlamentarischen Vertretungskörpern nicht teilnehmen, und eine ebenso wachsende Zahl von Staatsbürgern, die sich bei Meinungsumfragen zu keiner Partei bekennen wollen.

Die Flucht zu Kleinparteien hat sich auch nicht als brauchbarer Ausweg erwiesen, denn nach einem kurzen Aufflackern ist die Flamme der Begeisterung bald erloschen, und das BZÖ, das Team Stronach und - wie man vermuten kann - auch bald die Neos sind im Absteigen, ja sogar im Verschwinden. Die parlamentarische Demokratie mit der Sozialpartnerschaft als Zugabe hat sich in Österreich mehr als 70 Jahre bewährt, aber wenn dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen. Das griechische Beispiel zeigt uns, dass wir so nicht weiterkommen.

Wenn aber Volksbegehren und Volksabstimmungen der politischen Führung nicht den richtigen Weg weisen, kann sie mit Hilfe der Demoskopie herausfinden, was die "Massen" wollen. Man kann eine Umfrage bei 1000 Befragten veranstalten, und sofern sie repräsentativ ist, kann man sogar herausfinden, was die verschiedenen Kohorten wünschen, also die Pensionisten, die Akademiker, die Facharbeiter, die Landwirte, die Erstwähler.

Die Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft wurde 1961 gegründet, um jenen, die sich nicht lauthals Respekt und Gehör verschaffen können, eine Stimme zu geben. Aber auch andere Meinungsforschungsinstitute stehen zur Verfügung. Die politische Führung muss also nur die richtigen Fragen stellen, und sie tut es ja auch, ohne die Ergebnisse an die große Glocke zu hängen. Sehr oft sind sie Geheimwissen. Vor allem, wenn sie manchmal andere Ergebnisse bringen, als es sich die Auftraggeber erwartet haben. Kurz und gut, die Demoskopie bietet also genügend Instrumente, um der politischen Führung Wünsche, Ängste, kurz die Einstellung ihrer Wählerschaft, bekannt zu machen und so die Demokratie zu verbessern.

Wichtig ist aber, dass man Persönlichkeiten hat, die in kritischen Situationen den richtigen Weg weisen. Als uns die USA mit dem Marshall-Plan auf die Beine helfen wollten, wollten die "Massen" Lebensmittel. ÖGB-Präsident Johann Böhm aber sagte, man müsse erst produzieren und dann konsumieren. Für diese Aussage erntete er viel Kritik. Zehn Jahre später aber sagten seine Kritiker: "Der Böhm-Schani hat doch recht gehabt." Das unterscheidet den Staatsmann vom Populisten: Der Staatsmann wird nach 50 Jahren geachtet, der Populist verachtet.