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"Orange" Ukraine kein Vorbild für Moldawien

Von Piotr Dobrowolski

Politik

Am Sonntag wählt Moldawien ein neues Parlament. Viele Beobachter erwarten eine Revolution nach ukrainischem Vorbild. Doch der Vergleich hinkt. Moldawiens regierende Kommunisten sind mit der ukrainischen Clique um Leonid Kutschma kaum zu vergleichen, die moldawische Opposition alles andere als eindeutig prowestlich.


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Schon die Kraft der Symbole zeigt, dass Moldawien nicht die Ukraine ist. Auf dem Logo der seit 2001 regierenden kommunistischen Partei Moldawiens prangen Hammer und Sichel neben goldenen Sternen auf blauen Hintergrund, die Moldawiens EU-Ambitionen andeuten sollen. Ausgerechnet die Kommunisten sind in Moldawien auch jene politische Kraft, die am stärksten in Opposition zu Moskau steht. KP-Chef und Staatspräsident Wladimir Woronin hat sich in den letzten Jahren vom treuen Putin-Vasallen zum erbitterten Feind Russlands entwickelt. Die Gründe sind vielfältig: zum einen der Konflikt um die abgespaltene prorussische Republik Transnitrien, wo immer noch russische Truppen stationiert sind, zum anderen scheint Woronin aber auch erkannt zu haben, dass sich seine Partei nur dann auf Dauer halten wird können, wenn sie einen Schwenk in Richtung prowestlicher Sozialdemokratie vollzieht.

Das ist zum Teil bereits gelungen, auch wenn die KP aus Rücksicht auf die weit verbreitete Sowjetnostalgie im Land ihren alten Namen vorerst noch beibehalten hat. Mark Tkaciuk, der engste Berater des Präsidenten beschreibt den Wandel der moldawischen KP so: "Wir sind inzwischen eine Linkspartei neuen Typs. Natürlich gibt es auch bei uns wie in jeder Partei Idioten und Fanatiker. Aber Stalin-Porträts trägt bei uns keiner mit sich herum."

Putin unterstützt Opposition

Die Wahlkundgebungen der KP bestätigen den Eindruck: Es dominieren Popkonzerte, bei denen Präsident Woronin die Pausen nützt, um ganz leger, ohne Sakko und Krawatte auf die Bühne zu hüpfen und den Fans zuzuwinken. Die rote Farbe der Weltrevolution bleibt im Hintergrund - bis auf die roten Schals, die sich Musiker, Fans und Aktivisten als Zeichen ihrer politischen Zugehörigkeit umgebunden haben. Orange Schals tragen nach ukrainischem Vorbild hingegen die oppositionellen Christ-Demokraten, gelb wählte der ebenfalls oppositionelle Block "Demokratisches Moldawien".

Mit bis zu 60 Prozent liegen die Kommunisten in Meinungsumfragen an der Spitze. Dass weder die "Orangen" noch die "Gelben" die bei jeweils rund fünfzehn Prozent dümpeln, große Chancen auf einen Sieg haben, hängt wohl damit zusammen, dass sie keine wirklich neue Qualität in Moldawiens Politik bringen können. Mehr noch als die Kommunisten sind sie das Lager, in dem bislang vor allem alte Kader der Sowjetnomenklatur Zuflucht gefunden haben. Der Demokratische Block hat überdies eindeutig auf die Unterstützung durch Wladimir Putin gesetzt. Was zu der absurden Situation führte, dass russische Medien über den Demokratischen Block überaus wohlgesonnen berichteten, dafür aber Woronins Kommunisten genauso verdammten wie sie das während der ukrainischen Revolution mit Wiktor Juschtschenko getan haben. Am Donnerstag erst machte der Moskauer "Kommersant" in Riesenlettern mit der Warnung vor einer antirussischen "orangen Entente" auf, angeführt von Juschtschenko, Georgiens Präsident Saakaschwili und eben Woronin.

Wirtschaftlich erfolgreich

Da in Moldawien der Präsident vom Parlament gewählt wird, würde ein Sieg der KP auch die Wiederwahl von Woronin zum Staatschef bedeuten. Die Bilanz von Woronins bisheriger Amtsperiode ist besser als erwartet. In einem von der amerikanischen Heritage Foundation erstellten Ranking nimmt Moldawien, was den Grad an wirtschaftlicher Freiheit betrifft, weltweit den 77. und somit den besten Platz unter den ehemaligen Sowjetrepubliken ein. Auch was die Medienfreiheit betrifft, schneidet das Land relativ gut ab. "Reporter ohne Grenzen" reihen Moldawien auf Platz 78, weit vor der Ukraine (Platz 139) und Russland (Platz 140).

Die Opposition befürchtet dennoch Wahlfälschung und will sich mit ihrer wahrscheinlichen Niederlage nicht abfinden. In den Wochen nach der Wahl wird vermutlich auch in der moldawischen Hauptstadt Chisinau eine oppositionelle Zeltstadt entstehen. Die Christdemokraten haben die Veranstaltung bei den Behörden bereits angemeldet.