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Orbáns Partei ohne Gegner

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

Nationalkonservative Fidesz stehen vor souveränem Gewinn der Kommunalwahlen, die linke Opposition ist in desaströsem Zustand.


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Budapest. Das triste Spektakel der Selbstdemontage der linken und liberalen Opposition geht weiter. Bei den landesweiten Kommunalwahlen in Ungarn am Sonntag dürfte wieder Viktor Orbáns rechtsnationale Fidesz haushoch gewinnen. Spannend wird allenfalls mancherorts, ob es der rechtsradikalen Jobbik gelingt, der Fidesz einige Mandate abzutrotzen. Unterdessen verhält sich das links-liberale Lager so, als habe es längst die Waffen gestreckt.

In der Hauptstadt Budapest kandidiert für das Bürgermeisteramt im Namen der Linken ausgerechnet eine der Hassfiguren von Orbáns Propagandamaschine, Lajos Bokros. Als Finanzminister in der Regierung von Gyula Horn (1994 bis 1998) war Bokros der Architekt der ersten schmerzhaften sozialen Einschnitte nach der Wende. Hingegen positioniert sich Fidesz gerne als Verteiler sozialer Geschenke. Bokros führt die neu gegründete, winzige liberal-konservative "Bewegung für ein Modernes Ungarn" (MoMa).

Spitzenkandidat ausgetauscht

Die linken Parteien stellten ihn nach heftigem Streit im Hauruck-Verfahren zwei Wochen vor der Wahl auf, weil ihr ursprünglicher Kandidat sich als zu blass erwiesen hatte: Der politisch unerfahrene Arzt Ferenc Falus wurde vom schillernden Bokros in den Umfragen überholt. Doch selbst Bokros liegt bei unter 20 Prozent, also weit hinter dem Fidesz-Kandidaten Istvan Tarlos, Budapester Rathauschef seit 2010. Wenig deutet darauf hin, dass die Linksliberalen ihre einstige Hochburg Budapest zurückgewinnen werden. Dennoch ist Bokros nach Scherzen zumute: Wenn er die Wahl gewinne, werde er den Rivalen Tarlos gerne als Chefarchitekten der Stadt anstellen, sagte er.

Vor einem Scherbenhaufen steht - wie schon bei der Parlamentswahl im Frühjahr - die einst mächtige sozialistische MSZP. Schon in der Causa Bokros agierte die Partei gespalten: Die Budapester Filiale sagte ja zu dessen Kandidatur, doch die MSZP-Zentrale verweigerte die Unterstützung. Der neue MSZP-Vorsitzende Jozsef Tobias war hierzu kaum hörbar - wohl auch, weil er gerade drängendere Probleme hat als die Kommunalwahl. Die MSZP ist verschuldet, Budapester Medien berichteten von einer geplanten Entlassungswelle im Parteiapparat und von einem möglichen Verkauf der Parteizentrale.

Die Misere der MSZP scheint einem ihrer abtrünnigen Politiker eine Chance zu bieten: Ferenc Gyurcsány, von 2004 bis 2009 Ungarns skandalumwitterter MSZP-Ministerpräsident, jetzt Vorsitzender der mit den Sozialisten konkurrierenden Klein-Partei DK (Demokratische Koalition). Seine Stimme ist in der Anti-Orbán-Szene am häufigsten zu hören. Doch selbst Gyurcsány rechnet, wie er jüngst sagte, bei den Kommunalwahlen mit keinem Durchbruch der Opposition - allenfalls mit einer leichten Stärkung. Was Gyurcsány anstrebt, ist weniger ein ohnehin unrealistischer Wahlsieg, sondern die Führerschaft innerhalb der Opposition. Immer noch halten etliche Ungarn Gyurcsány trotz seines glücklosen Regierungsmandats für einen talentierten Charismatiker, dem so manches verziehen wird. Kürzlich hat Gyurcsany mit der Unterstützung für einen Roma-feindlichen Bürgermeisterkandidaten in der nordungarischen Industriestadt Miskolc Kritik ausgelöst. Der Aufschrei im linken Lager ist aber schnell verhallt.

Vertraute entlassen

Während sich Ungarns Opposition in Konkurrenzkämpfen zerfleischt, hat sich Orbán bereits ungestört an die Neuordnung seines eigenen Lagers gemacht. Jungpolitiker wie der neue Außenminister Peter Szijjartó und Kanzleichef Janos Lázár werden gefördert, während alte politische Weggefährten das Nachsehen haben. Orbáns früherer Zimmergenosse im Studentenheim, Lajos Simicska, bisher Hauptfinanzier des Fidesz, muss zusehen, wie seine Vertrauten aus dem mittleren Regierungs- und Verwaltungsapparat entlassen werden. Den will Orbán laut Berichten Budapester Medien radikal umkrempeln. Gleich nach den Kommunalwahlen, wie es heißt.