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Premier hat Geschichtsrevisionismus und antisemitische Stimmungen im Land bisher teils gefördert, teils stillschweigend toleriert.
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Budapest. Inmitten heftiger Kontroversen um Ungarns Position zum Antisemitismus hat Ministerpräsident Viktor Orbán am Dienstag sein Treffen mit seinem israelischen Kollegen Benjamin Netanjahu genutzt, um erstmals klar die ungarische Mitwirkung am Holocaust zu verurteilen. "Ungarn hat ein Verbrechen begangen, als es, anstatt die jüdische Gemeinschaft zu verteidigen, mit den Nazis kollaboriert hat", sagte der rechtsnationale Premier. "Dies darf nie wieder geschehen." Für Antisemitismus gelte "null Toleranz". Netanjahu kam als erster israelischer Regierungschef seit 1989 zu einem offiziellen Besuch nach Ungarn.
Bisher hat Orbán immer wieder Geschichtsrevisionismus und antisemitische Stimmungen teils gefördert, teils stillschweigend toleriert. Zuletzt hatte er den Hitler-Verbündeten Miklós Horthy (1868 bis 1957) als bedeutenden Staatsmann gepriesen und eine Plakatkampagne gegen den aus Ungarn stammenden US-Milliardär und Holocaust-Überlebenden George Soros veranlasst. Orbáns Regierung betonte, die Plakate richteten sich nicht gegen Soros’ jüdische Religionszugehörigkeit, sondern dagegen, dass dieser die "Einwanderung" von "Migranten" nach Europa fördere. Israel beanstandete zwar den "Hass und Angst" säenden Stil der Plakate, begrüßte aber die Kritik an Soros, weil dieser auch Vereine fördert, die Netanjahus Siedlungspolitik bekämpfen.
Zugleich zog Orbán Parallelen zwischen der Bedrohungssituation Israels und einer Gefährdung Ungarns durch "Migranten" aus den nahöstlichen Konfliktgebieten: "Die ungarische Regierung hat klargemacht, dass sie Israels Recht auf Selbstverteidigung anerkennt. Wir (Ungarn, Anm.) erwarten, dass die Welt unser Recht auf eigene Verteidigung unserer Rechte anerkennt", sagte er mit Bezug auf die per Mehrheitsbeschluss der EU-Länder verlangte Verteilung von Flüchtlingen nach Quoten, die Ungarn ablehnt. "Diejenigen sind erfolgreich, die ihre nationale Identität, ihre nationalen Interessen nicht annullieren, sondern sogar an erste Stelle setzen. Auch die Geschichte Israels lehrt, dass wir verlieren, worum wir nicht kämpfen." Dies sei "das eiserne Gesetz der Geschichte".
Netanjahu dankte Orbán für das Engagement für Israel auf dem internationalen Parkett. Der Gast aus Tel Aviv hält sich drei Tage lang in Ungarn auf und soll dabei auch die Regierungschefs der Visegrad-Staaten (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei) treffen. Seit Anfang Juli, als Ungarn den Vorsitz der Brüssel-kritischen Gruppe (V4) übernahm, bemüht sich Orbán, die Treffen der vier zu überregional relevanten Ereignissen aufzuwerten.
Für diese angestrebte Rolle eines internationalen Players dienen ihm hohe Gäste von außerhalb, denen er sich als Vermittler innerhalb der EU anbietet. Erst vor kurzem brachte Orbán den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi bei dessen Ungarn-Besuch mit den V4-Kollegen zusammen.