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Beliebtheit des ungarischen Premiers geht nach umstrittenen Maßnahmen spektakulär zurück.
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Budapest. Nachdem Viktor Orbán in seinen Konflikten mit dem westlichen Ausland Kratzer abbekommen hat, übt er sich an einer neuen Front: das eigene Volk. Steuererhöhungen, darunter der inzwischen abgeblasene wahnwitzige Plan für eine Internet-Abgabe, trieben mehrmals zehntausende Ungarn auf die Straße. Jetzt hat Orbán von gleich drei Meinungsforschungsinstituten erfahren, was Sache ist: Nach Angaben der Institute Tárki, Medián und Ipsos ist die Popularität seiner rechtsnationalen Partei Fidesz binnen nur eines Monats um zehn bis 12 Prozent gesunken. Das sind um 800.000 bis 900.000 Wähler weniger, in einem Land mit einer Bevölkerung von rund zehn Millionen. Noch schlimmer traf es Orbán selbst. Seine Popularität sackte um 16 Prozent ab. Um satte 20 Prozentpunkte - auf 68 Prozent - kletterte der Anteil der Ungarn, die meinen, die Entwicklung des Landes laufe in die falsche Richtung.
Das ist ein noch gewaltigerer Einbruch als jener, den der glücklose Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány 2006 nach seiner skandalträchtigen Rede erlitt, in der er eingeräumt hatte, das Volk im Wahlkampf belogen zu haben, analysierte Median. Auch das Institut Ipsos meinte, es sei zwar normal, dass eine Regierung nach einer gewonnenen Wahl etwas unpopulärer werde, doch sei der jetzige Sturz des Fidesz in diesem Tempo sehr ungewöhnlich. Derartige Verluste kämen eher in größeren Zeitabständen vor. Dabei standen die letzten Projekte aus dem Hause Orbán, die viele Ungarn erbost haben, zum Zeitpunkt der Umfragen noch gar nicht im Raum: das geplante Verbot der Sonntagsöffnung für Geschäfte sowie der geradezu realsatirische Vorschlag eines Zwangs-Drogentests.
Arroganz der Günstlinge
Entscheidend für den Popularitätseinbruch war die geplante Besteuerung des Internets, weil sich davon massiv Orbáns Stammwähler in der gebildeten Mittelklasse betroffen gefühlt haben. Vielen treuen Fidesz-Wählern gehen zunehmend auch die Arroganz und der materielle Protz der neuen jungen Orbán-Günstlinge auf die Nerven: Kanzleichef János Lázár und Außenminister Péter Szíjjartó. Hinzu kam der Skandal um die von den USA verhängten Einreiseverbote für die Finanzamtschefin Ildikó Vida und fünf weitere hohe Tiere aus der Verwaltung, wegen Korruptionsvorwürfen. Zwar gelten Vorwürfe von außen für Orbán intern in der Regel eher als Baustein für sein Image als Kämpfer für die nationale Souveränität. Stolz und beleidigt hatte sich Vida selbst als Opfer der USA geoutet - Washington hatte gar keine Namen genannt. Doch dieser Schuss ging nach hinten los, denn man spricht seither in Ungarn eher über die Korruption als über vermeintliche Attacken des "bösen" Auslands.
All diese Fehlschläge brachten Orbán auf die Idee, dass auf der Ebene der Regierungskommunikation das Dach brennt. Darum legte er diese Aufgabe in die Hand seines informellen Vertrauten Árpád Habony - einer Art Dandy mit unklaren geschäftlichen Aktivitäten. Habony leitete als Erstes den jämmerlichen Coup um den Zwangs-Drogentest in die Wege, gedacht als Ablenkungsmanöver. Ursprünglich hatte Máté Kocsis, Fidesz-Politiker mit Vergangenheit bei der rechtsradikalen Partei Jobbik, Bürgermeister im 8. Budapester Bezirk, vorgeschlagen, dass Schulkinder zwangsweise auf Drogenkonsum getestet werden sollen. Ebenso Journalisten und Politiker. Fidesz griff Kocsis’ Vorschlag auf, strich dabei aber die Journalisten und Politiker als Zwangstestobjekte. Es folgte ein massiven Shitstorm. Daraufhin wurde das Testprojekt für Schüler abgeschwächt: Es soll nicht mehr zwangsweise, sondern auf freiwilliger Basis erfolgen, mit Genehmigung der Eltern. Ob es Eltern gibt, die es angesichts der politisierten Atmosphäre wagen, den Drogentest für ihr Kind zu verbieten, steht auf einem anderen Blatt.