"Magyar Nemzet" könnte an einen Abgeordneten der bürgerlich-grünen LMP gehen - Eigentümer einer regierungsfreundlichen Wochenzeitung.
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Budapest. Lajos Simicska, der einzige Gegenspieler des Ministerpräsidenten Viktor Orbán unter Ungarns Großunternehmern, macht einen Rückzieher: Er hat die Einstellung der von ihm finanzierten Traditionszeitung "Magyar Nemzet" sowie des Senders "Lánchíd Rádió" entschieden. Ob dies allerdings das Ende der seit 1938 erscheinenden "Magyar Nemzet" bedeutet, war zunächst unklar, denn sie könnte einen neuen Herausgeber bekommen: Péter Ungár, Abgeordneter der grün-konservativen Oppositionspartei LMP, will ein Kaufangebot machen. Sollte "Magyar Nemzet" verschwinden, würde Ungarn das zweite Traditionsblatt verlieren, nach der linksliberalen "Népszabadság", die im Oktober 2016 auf Betreiben regierungsfreundlicher Unternehmer eingestellt wurde.
Den Redaktionen von "Magyar Nemzet" und "Lánchíd Rádio" wurde am Dienstagmorgen mitgeteilt, dass ihre Medienorgane eingestellt würden. Die Zeitung - einschließlich ihrer Online-Version - solle am Mittwoch zum letzten Mal erscheinen. Lánchíd solle am Dienstag um Mitternacht zum letzten Mal auf Sendung sein. Dies begründete der Verlag Nemzet Lap- és Könyvkiadó mit finanziellen Schwierigkeiten. Bei dem ebenfalls von Simicska finanzierten Sender "Hír TV" seien Einsparungen eingeplant. Auf der Kippe stehe auch das Schicksal des Wochenblatts "Heti Válasz".
Wirtschaftliche als auch politische Gründe vermutet
Bereits vor der Bekanntgabe hatte man intern von bevorstehenden Sparmaßnahmen gewusst, berichtete das Portal "index.hu". Dass aber die Zeitung, die immerhin auf eine 80-jährige Geschichte zurückblickt, gleich ganz eingestellt werden soll, traf die Redakteure völlig überraschend. Der stellvertretende Chefredakteur Zsombor György verglich den Akt mit einem "Terroranschlag".
Hat der Schritt Simicskas nur wirtschaftliche oder auch politische Gründe, nach dem überwältigenden Wahlsieg Orbáns am vergangenen Sonntag? "Wahrscheinlich beides", sagte Edit Inotai, langjährige Reporterin von "Népszabadság" der "Wiener Zeitung". "Simicska hatte schon früher angedeutet, dass er seine Mediengeschäfte aufgeben würde, falls die Parlamentswahl für ihn nicht gut ausgeht."
Simicska, war einst wichtigster Geldbeschaffer der Regierungspartei Fidesz. Er hatte sich 2015 mit seinem Studienfreund Orbán überworfen und die bis dahin regierungstreue "Magyar Nemzet" in ein Oppositionsblatt verwandelt. Seither ging Simicska, der vor allem im Bauwesen aktiv ist, immer öfter bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen leer aus.
Vor der Parlamentswahl, die Orbáns Partei überraschend mit einer Zweidrittelmehrheit an Mandaten für sich entschied, berichteten Simicskas Medien über schwere Korruptionsvorwürfe im Umfeld Orbáns. "Index.hu" schrieb unter Berufung auf einen Redakteur von "Magyar Nemzet", der nicht namentlich genannt werden wollte, dass Simicska "einfach keine Lust mehr" habe, dass also das Finanzielle nicht ausschlaggebend sei.
Ungár gilt als trojanisches Pferd von Fidesz in der LMP
Der potenzielle Käufer der "Magyar Nemzet", Ungár, ist 26 Jahre alt und Sohn der als sehr reich geltenden Historikerin und Orbán-Propagandistin Mária Schmidt. Er ist zudem bereits Miteigentümer der regierungsfreundlichen Wochenzeitung "Figyelö". Viele Orbán-Gegner meinen seit langem, dass Ungar das trojanische Pferd der Regierungspartei Fidesz in der Partei LMP sei.