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Premier schließt Nachbesserungen nicht aus - "wenn aus EU-Sicht nötig". | Online-Medien organisierten aus Protest ein "Blackout for Hungary". | Budapest. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat Änderungen am umstrittenen Mediengesetz in Aussicht gestellt. Budapest werde nachbessern, "wenn das aus EU-Sicht notwendig ist" und damit seinen europäischen Verpflichtungen nachkommen, betonte er am Donnerstag.
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Die Reaktionen auf das Gesetz seien weder vom Stil noch vom Ausmaß her vorhersehbar gewesen, sagte er weiter. Bislang hatte der Regierungschef darauf gepocht, er denke "nicht im Traum daran, auch nur einen Buchstaben zu ändern".
Beobachter spekulieren derzeit vor allem darüber, was Orban in erster Linie zu seinem Meinungsumschwung bewogen hat: die heftige Kritik etwa Deutschlands, Frankreichs oder der Niederlande am Mediengesetz oder die scharfen Proteste im eigenen Land. Tags zuvor hatte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die ungarische Regierung aufgefordert, die Lage zu klären und mögliche Zweifel seiner Behörde am umstrittenen Regelwerk zu beseitigen. Auch in Ungarn verschärfen sich die Auseinandersetzungen um das Mediengesetz.
Die drei parlamentarischen Oppositionsparteien bereiten wie die Tageszeitung "Nepszabadsag" eine Klage beim Verfassungsgericht vor. Der Geschäftsführer der im Parlament nicht vertretenen Partei Grüne Linke Szilard Kalmar hat den Journalisten Zsolt Bayer wegen eines mutmaßlichen Hetzartikels in der Tageszeitung "Magyar Hirlap" angezeigt.
Hetzerische Töne
Bayer gilt als persönlicher Freund des Ministerpräsidenten und ist wegen seiner unablässigen Attacken gegen die politische Linke und Minderheiten berüchtigt. In seinem Text hatte er beklagt, dass während des sogenannten "Weißen Terrors" im Jahr 1919 in Ungarn nicht genügend Linke ermordet worden seien: "Leider gelang es nicht, alle bis zum Hals im Wald von Orgovany zu verscharren." Der Wald von Orgovany südlich von Budapest war der Schauplatz eines Massakers rechtsradikaler Freikorps an angeblichen Sympathisanten der zuvor zusammengebrochenen kommunistischen Räterepublik.
Außerdem bezeichnete Bayer den Orban-kritischen britischen Journalisten Nick Cohen als "stinkendes Exkrement". Wenn auf Grundlage des Gesetzes hetzerische Töne in der Presse zurückgedrängt werden sollten, werde Bayer als einer der ersten Journalisten mit einer Sanktion belegt, andernfalls sei "erwiesen, dass das Gesetz ganz andere Ziele hat", sagte der Grüne Kalmar. In einer Replik stilisierte sich Bayer zum ersten Opfer eines vom "Rotterror" eröffneten "Pressekriegs".
Unterdessen protestierten zahlreiche Online-Medien gegen die neuen Vorschriften. Nach dem Mediengesetz unterliegen seit 1. Jänner auch Internetportale der behördlichen Aufsicht.
Mehrere Dutzend Anbieter und Blogger - diese werden allerdings nicht kontrolliert - schwärzten als Solidaritätsbekundung für Tageszeitungen, die zuvor mit weißen Titelseiten erschienen waren, den ganzen Mittwoch ihren Content oder waren überhaupt nicht aufrufbar. Die Aktion war von blackout4hungary.net ins Leben gerufen worden und wurde ebenfalls aus dem Ausland unterstützt, beispielsweise vom - auch in deutscher Sprache abrufbaren - Portal The Pirate Bay.