Premier redet sich vor EU-Parlament in Rage. | "Werde EU-Urteil über Mediengesetz akzeptieren." | Brüssel. Ausgesprochen hitzig verlief die Debatte um das Halbjahresprogramm des ungarischen EU-Vorsitzes am Mittwoch. Es kam zu Schreiduellen zwischen Ungarns Premierminister Viktor Orban und seinen Parteigängern einerseits und Vertretern der Sozialdemokraten und Grünen andererseits, die Stimmung war aggressiv und aufgeladen. Orban ortete in der Kritik an seinem neuen Mediengesetz mehrfach eine "Beleidigung der ungarischen Nation", die er "nicht hinnehmen" könne.
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Dabei hatte alles recht ruhig angefangen, der Ungar hatte sein Programm ruhig vorgetragen und auf seine und die ungarischen Verdienste beim Sturz des Kommunismus vor gut zwanzig Jahren verwiesen. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hatte die Übersendung eines Briefes mit Nachfragen zum umstrittenen Gesetz noch für diese Woche angekündigt. Orban erklärte sich zu Nachbesserungen bereit, falls die Kommission Mängel finden sollte.
Doch dann dürften ihm einige Wortmeldungen nicht gefallen haben. Grünen-Chef Daniel Cohn-Bendit warnte etwa davor, dass der Ungar auf dem Weg sei, "ein europäischer Chavez (autoritärer Präsident Venezuelas, Anm.) zu werden, ein Nationalpopulist, der die Grundzüge der Demokratie nicht versteht." SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried fragte Orban, wie man sich fühle, "wenn man ein Land in die Diktatur führt".
"Schlag ins Gesicht"
Wer Ungarn auf dem Weg in eine Diktatur wähne, "bedroht das Land und schlägt den Ungarn ins Gesicht", donnerte Orban daraufhin. Er müsse erkennen, dass im nächsten halben Jahr offenbar innenpolitische Themen seines Landes mit den Themen des EU-Vorsitzes vermischt werden. In der Debatte um das Mediengesetz werde allerdings häufig von falschen Tatsachen ausgegangen. Dass etwa in der Medienbehörde ausschließlich Parteigänger oder Sympathisanten seiner Partei Fidesz vertreten sind, liege eben daran, dass er über eine Zwei-Drittel-Mehrheit verfüge. Darauf laufe viel der Kritik am Ende hinaus. "Sich daran zu gewöhnen, ist aber nicht mein, sondern Ihr Problem", erklärte Orban. "Sie haben uns angeboten, mit Ihnen an einem Tisch zu sitzen. Uns ist der Appetit vergangen", schloss Cohn-Bendit. Sozialdemokraten-Chef Martin Schulz bemühte sich klarzustellen, dass die Kritik am Mediengesetz keineswegs ein Angriff auf das ungarische Volk sei.
Am Ende gab sich Orban trotz allem gelassen: "Ich habe mir Schlimmeres erwartet", sagte er, "zum Beispiel, dass die Linken rausgehen. Denn für die europäische Linke bin ich das gefährlichste Beispiel: Ein Mitte-Rechts-Politiker mit Zwei-Drittel-Mehrheit." Im Übrigen habe es keinerlei Kritik am ungarischen Vorsitzprogramm selbst gegeben, sein Vorgehen orientiere er an Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy. Der lasse sich die Beleidigung der französischen Nation auch nicht gefallen.
Orban übersieht bei seinem Vergleich aber wohl einiges - zum Beispiel, dass der Franzose bei seiner Antrittsrede im EU-Parlament vor zweieinhalb Jahren Standing Ovations erhalten hatte.